Buchempfehlung: Die Gewaltfalle von Dieter Schäfer

14. August 2015 um 19:38

Buchempfehlung: Die Gewaltfalle von Dieter SchäferPolizeidirektor Dieter Schäfer, Polizist mit Leib und Seele, versieht seinen Dienst in Mannheim. Ihn kann so schnell nichts erschüttern, aber die Vorfälle im September 2012 haben ihn, und viele anderen Kollegen ebenso, verändert. Schäfer war damals Einsatzleiter, als es in Mannheim am Rande des Kurdischen Kulturfestivals am 8. September zu massiven Ausschreitung gegen die Polizei kam.

“Ich bin jetzt 33 Jahre im Dienst und habe 2.000 Einsatzstunden bei Menschenansammlungen aller Art verbracht, darunter viele Problemeinsätze. Aber ich bin noch niemals von einer so massiven und gezielten Gewalt überrascht worden” sagte Schäfer, als sein Buch “Die Gewaltfalle” vorgestellt wurde.

Bereits am 1. September hatte die Veranstaltung mit einem langen Marsch der Kurdischen Jugend von Straßburg aus begonnen und sollte seinen Abschluss beim Kulturfestival in Mannheim haben. Bereits auf diesem Marsch kam es zu Tumulten und Verstößen gegen verschiedene Gesetze, die das Einschreiten der Polizei notwendig machten.

Trauriger Höhepunkt fand der Einsatz, als gewaltbereite Kurden die Beschlagnahmung einer verbotenen Flagge bei einem jungen Landsmann zum Anlass nahmen, massiv und gewaltsam gegen die Polizei vorzugehen. Schäfer beschreibt in seinem Buch die drei Gewaltwellen, denen die eingesetzten Polizisten ausgesetzt waren.

Entsprechend fiel die Bilanz aus:

► 73 Verletzte Beamte, davon 2 schwer; 6 Beamte waren dienstunfähig
► 15 beschädigte Dienst-Kfz; Schaden: 31.126 Euro
► Sonstige Schäden an Ausrüstungsgegenständen: 5.400 Euro
► Schäden am Veranstaltungsgelände: 30.000 bis 40.000 Euro

In seinem auf mehrere Kapiteln aufgeteiltes Buch schildert Schäfer detailliert, wie die Informationslage und die daraus resultierende Einsatzplanung aussah. Minutiös beschreibt er, welchem ungezügelten Hass und welcher Gewalteinwirkung er und seine Kollegen ausgesetzt waren. Dabei befand sich Schäfer nicht in einer fernen Befehlsstelle, sondern mitten drin, bei seinen Kollegen.

Gezielt versuchte die kurdische Presse Falschinformationen zu streuen. Von im Gewahrsam verletzten Personen war die Rede, von angeschossenen Veranstaltungsteilnehmern. Nichts davon entsprach den Tatsachen und nur eines verhalf der Polizei, die Wahrheit öffentlich kund zu tun, ohne hinterfragt zu werden: die Presse befand sich mitten im Steinhagel und konnte die Darstellung der Polizei untermauern.

Dies nutzt Schäfer zur Begründung, warum es für die Polizei wichtig ist, die sozialen Medien in die Aufklärung stärker mit einzubinden und zu versuchen, die Informationshoheit zurück zu erlangen, um zu verhindern, dass solche Falschinformation verbreitet werden, obwohl sie jeder Tatsache entbehren.

Das Buch von Kollege Dieter Schäfer richtet sich prinzipiell an jeden Interessierten. Er schafft es, die Dramatik der Geschehnisse nachvollziehbar darzustellen. Nur manchmal richtet er sich vornehmlich an Menschen mit rechtlicher Vorbildung. Das wird unter anderem in dem Kapitel deutlich, in dem Schäfer darlegt, warum er am Anfang der Gewaltwellen seine Einsatzkräfte zurück zieht, da sie deutlich in der Unterzahl waren und es so wahrscheinlich noch mehr verletzte Polizisten gegeben hätte:

“Bei der Kollision von Rechtsgütern mit Verfassungsrang wird in der verfassungsrechtlichen Diskussion u.a. das Prinzip der praktischen Konkordanz 17 angewendet. Bei der Güterabwägung zwischen vorliegender Straftatenqualität, ergo dem Strafanspruch des Staates und der körperlicher Unversehrtheit der Einsatzkräfte müssen beide verfassungsrechtlich geschützten Rechtsgüter als mindestens gleichrangig gewertet werden. Meines Erachtens ergibt sich daraus sowohl ein zeitlicher, wie auch taktischer Ermessensspielraum für die Strafverfolgung.”

Überwiegend sind die Zeilen von Schäfer jedoch klar und nachvollziehbar, auch für den interessierten Bürger. Als am Vorabend des Festivals die Polizisten mit Kieselsteinen beworfen werden, entscheidet sich Schäfer gegen eine sofortige Verfolgung und Identifizierung der Straftäter und begründet dies wie folgt:

“Nach einem zermürbenden Tag, nach 15stündiger Einsatzdauer für Teilkräfte, muss aber, mit Rücksicht auf die verbliebenen polizeitaktischen Möglichkeiten, bei Sachverhalten, die überwiegend an der unteren Skala der Strafandrohung rangieren und die von der Staatsanwaltschaft regelmäßig eingestellt werden, der Rechtsanspruch des Staates vorübergehend zurücktreten bzw. aufgeschoben werden.”

Auch geht der Autor detailliert auf die Betreuung der Einsatzkräfte nach diesen schrecklichen Ausschreitungen ein und beschreibt seine Bemühungen, für eine ausreichende Unterstützung und Hilfeleistung zu sorgen. Er stand schließlich selbst im Steinhagel und kann von sich auf die Kollegen schließen, die noch weiter vorne standen und verletzt wurden.

Sogar ein Forum im Intranet der Polizei Baden-Württemberg ließ er eröffnen. Teilnehmer waren alle Polizeikräfte, die bei diesem Einsatz dabei waren. Als das Forum anfangs nicht so läuft und sich die meisten mit der Aufarbeitung und Schilderung ihrer Erlebnisse zurück halten, fragt Schäfer:

“Sind Sie wirklich so tough. Oder hat man Sie in Ihrer Ausbildung so erzogen? Wo sind die Vorgesetzten, die sich zur Fürsorgepflicht bekennen.”

So zieht Schäfer in seinen Schlussworten das persönliche Fazit:

“Ich wusste, wie ich mich fühle, also konnte ich auch ermessen, wie sich die Einsatzkollegen und -kolleginnen fühlen mussten.

Ich hatte die notwendige Einsatzerfahrung, das Selbstvertrauen, diesen Weg zu gehen und schlussendlich das Glück des Tüchtigen. Abschließend bekenne ich – die Geschehnisse haben mich verändert.”

Fazit:

Das Buch “Die Gewaltfalle” von Kollege Dieter Schäfer ist eine absolute Leseempfehlung! Es sollte Pflichtlektüre für alle Polizisten und den interessierten Bürger sein.

Mit seinen Schilderung können Polizeischüler/-studenten einen ungeschönten Blick auf das werfen, was sie möglicher Weise erwartet. Erfahrene Polizisten dürften sich in mancher Darstellung selbst erkennen und bekommen eine funktionierende Polizeiführung vor Augen geführt. Denn das nachvollziehbar dargelegte Vorgehen von Schäfer kann als Paradebeispiel für eine Polizeiführung dienen, die sich um ihre Einsatzkräfte sorgt (Stichwort: Fürsorgepflicht).

Aus diesem Grund, und weil auch Empfehlungen gegeben werden, an was ein Einsatzführer noch denken sollte, gerade bei größeren Veranstaltungen oder Einsätzen, ist dieses Buch auch für alle geeignet, die sich in einer Führungsposition innerhalb der Polizei befinden, oder diese anstreben.

Schlussendlich bekommt auch der Bürger einen tiefen Einblick in die Polizeiarbeit, in den Polizisten im Einsatz, den Menschen in der Uniform und seine Gefühle bei einem Angriff….ungeschminkt.

Buchtitel: Die Gewaltfalle: Gewalt gegen Polizei – Einsatzbewältigung
Verlag: Waldkirch Verlag
Seiten: 176
ISBN-10: 3864760348
ISBN-13: 978-3864760341
Preis: 11 Euro broschiert, 9 Euro Ebook
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