Polizeiseelsorge: Wenn Polizisten Hilfe brauchen

25. März 2016 um 16:28

PolizeiseelsorgeAndreas Simbeck ist katholischer Polizeiseelsorger der bayerischen Polizei. Nachdem der heute 53jährige sich bereits früh in der Kirche engagierte, wurde er mit 25 Jahren, nach dem Theologiestudium, zum Priester geweiht. Ab 1992 wurde er nebenamtlicher Polizeiseelsorger. Seit zwölf Jahren ist er von allen kirchlichen Aufgaben befreit und als hauptamtlicher Seelsorger Angestellter der Polizei.

Zusammen mit einer evangelischen Kollegin kümmert er sich um die Polizeifamilie. Er nennt das “Notfallseelsorge nach innen”.

Sein Aufgabengebiet ist weitreichend und so vielfältig wie der Polizeiberuf: ein Kollege wird gemobbt, kann einen schwierigen Einsatz nicht verkraften, braucht einen Redepartner ohne befürchten zu müssen, dass die Informationen nach außen gelangen. Oder er hat eine Suchterkrankung, in all diesen Fällen können sich Polizisten an Simbeck wenden.

Und wenn der Seelsorger nicht mehr helfen kann, vermittelt er auch an Fachkräfte weiter, Psychologen, Suchtberater und Schuldnerberater. Aber oft reicht es schon, einfach nur zuzuhören, da zu sein. “Wir signalisieren: Ich nehme dich ernst, lache dich nicht aus, halte dich nicht für ein Weichei”, erklärt Simbeck.

Als Simbeck Polizeiseelsorger wurde, brachte ihn sein erster Fall bereits an seine eigenen Grenzen und er gesteht ein, dass er weiche Knie bekam. Ein Polizist hatte sich umgebracht und die Kollegen mussten betreut werden. Auch wenn Simbeck durch Schulungen auf solche Situationen vorbereitet wurde, zeigt sich erst im Alltag, wie man richtig damit umgeht.

Er organisierte ein Treffen am Ort des Suizids, hier konnte die Polizisten ihres verstorbenen Kollegen gedenken. Wer mochte, konnte auch mit Simbeck zusammen beten. Nichts ist Pflicht, Hauptsache, er ist für die Polizisten da.

Und egal mit was die Beamten zu ihm kommen, er unterliegt der Schweigepflicht als Pfarrer. Das macht Simbeck zum besseren Gesprächspartner bei heiklen Dingen, da nichts von dem Gespräch ohne die Einwilligung des Polizisten nach außen dringen darf.

Ein anderer Ort, eine andere Zeit: Simbeck steht vor einer Klasse mit 20 Polizeianwärtern in der Bereitschaftspolizei Dachau. Den jungen Polizisten, die gerade erst mit ihrer Ausbildung angefangen haben und noch nichts mit dem Polizeiseelsorger anfangen können, erklärt er seine Aufgabe und spricht über polizeiliche Werte im Fach Berufsethik.

Er bringt den angehenden Polizisten bei, bei schwierigen Einsätzen die richtigen Worte zu finden, auf jedes einzelne Wort zu achten, denn das falsche oder richtige Wort kann hilflosen Menschen noch Jahre später im Gedächtnis sein, Erleichterung oder Belastung gewesen sein.

Auch beim G7-Gipfel in Elmau war Simbeck eingesetzt. Er unterhielt sich mit den Einsatzkräften. Die Polizisten hatten Bedenken wegen des großen Aufwands, der für diesen Einsatz betrieben wurde, und vor den vielen Überstunden, die man vielleicht nicht abfeiern könne. Simbeck hörte zu, mehr konnte er in diesem Moment nicht machen. Aber das half schon.

Dann kam die Flüchtlingskrise und auch hier kümmert sich Simbeck um die Polizisten. Er hört zu, redet mit ihnen, lässt die Polizisten Ängste und Sorgen formulieren. Und davon gibt es genug.

Andreas Simbeck ist aber nicht nur Polizeiseelsorger, sondern auch Landespolizeidekan. In dieser Funktion berichtet er auch Polizeipräsidenten und Ministern, wie es an der Basis aussieht, womit sich die Polizisten beschäftigen. Simbeck sagt, dass seine Schilderungen durchaus gehört werden.

Und trotz all dieser polizeilichen Aufgaben versieht Simbeck auch noch Kirchenaufgaben, freiwillig. Er möchte sich selbst noch als Priester wahrnehmen, wie er sagt. Und so kommen auch Polizisten auf ihn zu, die von ihm getraut und deren Kinder getauft werden sollen. Etwa 20 Mal im Jahr kommt das vor.

Sein letzter großer Einsatz war beim Zugunglück in Bad Aibling. Als Notfallseelsorger kümmerte er sich um eine Frau und ihre Tochter, deren Vater und Mann bei dem Unglück zu Tode kam.

“Ab und zu war ich schon mal an der Grenze, wo mir Tränen in die Augen schießen”, gesteht Simbeck ein. Die Angehörigen der Opfer von Bad Aibling fanden die Hilfe gut organisiert. Das gibt Sicherheit für die Kräfte und Zuversicht für die zu betreuenden.

Hilfe für Polizisten, die sich selbst nicht mehr helfen können. Unverzichtbar in einem Beruf, der selbst oft an die eigenen Grenzen und manchmal auch darüber hinaus geht.

http://www.sueddeutsche.de/muenchen/notfallseelsorge-wenn-gesetzeshueter-weiche-knie-kriegen-1.2919305

Danke an Manni und Münchner Blaulicht e. V.​ für den Hinweis.