Ausnahmesituation: Wenn Polizisten zu einem Todesfall gerufen werden
Der Tod gehört zum Polizeiberuf dazu, wie das Leben selbst. Darauf werden Polizisten bereits in ihrer Ausbildung oder im Studium vorbereitet, aber das sind nur theoretische Grundkenntnisse. Wie schwierig der Umgang mit diesem Thema sein kann, erfährt man erst in der Praxis.
Die Aufgaben von Polizisten können bei einem Todesfall vielfältig sein und sind manchmal Herausforderung, zuweilen aber auch Überforderung. Zunächst einmal gehört es zu den Aufgaben der Polizei, herauszufinden, um was für einen Todesfall es sich handelt.
Liegt ein sogenannter natürlicher Todesfall vor (durch Krankheit oder Alter oder plötzliches Versagen eines lebenswichtigen Organs) ist damit die Arbeit der Polizei beendet. Diese Feststellung obliegt aber einem Arzt, der zusammen mit den Polizisten die Leichenschau durchführt.
Bei einem unnatürlichen Todesfall hat die Polizei Ermittlungen aufzunehmen. Unnatürlich, also nicht durch Krankheit, Alter oder sonstige Umstände, bei denen das Leben schicksalhaft ohne Fremdeinwirkung beendet wurde, kann zum Beispiel ein Suizid sein, wenn also jemand freiwillig aus dem Leben scheidet.
Es kann sich aber auch um ein Verbrechen handeln, wenn ein Dritter die Hände im Spiel hatte, oder eben auch Tod auf Verlangen. Unnatürlich ist ein Tod aber auch, wenn, was hin und wieder vorkommt, ein Mensch sich nicht selbst das Leben nehmen kann und hierzu einen Polizeieinsatz verursacht, damit ihm diese “Aufgabe” Polizisten abnehmen, sogenannter “suicide by cop”.
Neben der Aufklärung des Todesumstände, kommen auch noch weitere Aufgaben auf die Polizisten zu. So müssen mögliche Angehörige ermittelt, verständigt und möglicherweise auch betreut werden. Die Überbringung einer Todesnachricht gehört zu den Aufgaben der Polizei. Viele Fragen müssen manchmal beantwortet werden, auf die die Polizisten selbst keine Antwort haben, oder sie, aus Rücksicht auf das Bild, welches die Angehörigen von dem Verblichenen haben, oder aus ermittlungstaktischen Gründen, nicht verraten können oder dürfen.
Neben den Todesumständen, den Bildern, denen wir Polizisten bei solchen Einsätzen ausgesetzt sind, und dem Problem, dass der Tote im Laufe der Ermittlungen ein “Gesicht” bekommt, weil wir sein/ihr Leben und die Lebensumstände und Probleme erfahren, gehören Todesermittlungen in Verbindung mit der Betreuung der Angehörigen zu den schwierigsten Einsätzen.
In einem besonderen Dilemma stecken Polizisten, mal ganz abgesehen vom Thema “suicide by cop”, in solchen Fällen, in denen nicht klar erkennbar ist, was hier nun genau vorliegt. Denn die Grenzen zwischen Suizid, Beihilfe zum Suizid und Tod auf Verlangen – demnach also zwischen strafloser Hilfe und Straftat – sind fließend.
Erster Kriminalhauptkommissar Helmut Wetzel aus Kassel weiß von einem solchen Fall zu berichten, der sich im vergangenen Jahr zugetragen hatte.
Ein 90jähriger, der in einem Pflegeheim lebte, wollte nicht mehr leben. Er hatte Kontakt mit einem Sterbehelfer aus Berlin aufgenommen und seinen Sohn in seine Pläne eingeweiht. Er erzählte dies auch im Pflegeheim und als Sohn und Sterbehelfer im Pflegeheim zum Beratungsgespräch eintrafen, wurden sie von der Leitung des Heimes gebeten, das Heim zu verlassen. Man könne dadurch Probleme bekommen.
Als die drei an der Anschrift des Sohnes eintrafen, wartete dort bereits die Polizei, die von der Pflegeheimleitung verständigt worden war. Es wurde die Tötung auf Verlangen vermutet. Es erfolgten vorläufige Festnahme des Sterbehelfers und Einweisung des 90jährigen in eine Psychiatrie.
Nach einer Befragung wurde der Sterbehelfer wieder entlassen und der 90jährige lebensmüde Mann konnte nach drei Tagen die Klinik wieder verlassen. Der Arzt attestierte dem alten Herrn bei völlig klarem Verstand zu sein.
Hiernach kam der 90jährige bei seinem Sohn unter. Dieser hatte ihm laut Anleitung die Medikamente für den Suizid zubereitet und dann auf Anraten des Sterbehelfers die Wohnung verlassen, um nicht wegen unterlassener Hilfestleistung belangt werden zu können.
Als der Sohn wieder in seine Wohnung zurück kehrte, war sein Vater tot. Die Staatsanwaltschaft Kassel nahm Ermittlungen wegen Tötung auf Verlangen auf, stellte das Verfahren später aber ein. Man war zu der Überzeugung gekommen, dass es sich um Beihilfe zum Suizid gehandelt hatte, die in Deutschland straffrei ist.
EKHK Wetzel bietet zusammen mit Polizeipfarrer Kurt Grützner aus diesem Grunde ein Seminar für Polizisten und Interessierte zu diesem Thema an, welches unter dem Motto “Hilfe beim Sterben, ein Dilemma polizeilicher Todesermittlungen” steht.
Vom 11. bis 13. Mai referieren an der evangelischen Akademie in Bad Zwesten unter anderem der frühere Justizminister Dr. Christean Wagner und Bischof Prof. Martin Hein über dieses sensible Thema in medizinischer, juristischer, polizeilicher und ethischer Hinsicht.
http://www.hna.de/kassel/suizid-grenzfall-polizisten-6308550.html