Nach tödlichem Dienstwaffengebrauch in Berliner Flüchtlingsunterkunft: Vorverurteilung durch Berichterstattung?
Der Grund für den ursprünglichen Einsatz lag in einer Mitteilung an die Polizei in Berlin, dass in einer Flüchtlingsunterkunft ein 27-jähriger Pakistani ein Mädchen missbraucht haben soll. Wie immer wurde die Glaubwürdigkeit dieser Aussage geprüft und da man sie für glaubwürdig hielt sollte der beanzeigte Täter festgenommen werden.
Als der 27-jährige Mann bereits durch die Einsatzkräfte festgenommen worden war und in den Streifenwagen gesetzt wurde, stürmte der 29-jährige Angreifer, vermutlich der Vater des sechsjährigen (oder achtjährigen, da ist sich die Presse nicht einig und die Polizei Berlin hat hierzu keine Information veröffentlicht) missbrauchten Mädchens, auf den Pakistani und damit auch auf die Einsatzkräfte zu.
Hierbei hielt der Angreifer ein Messer in der Hand und laut Zeugen soll er hierbei gerufen haben: “Das wirst Du nicht überleben!” Da der Angreifer mehrere Aufforderungen der Polizisten stehenzubleiben ignorierte, schossen diese auf den Angreifer, der mit schweren Verletzungen in ein Krankenhaus gebracht wurde. Dort verstarb er später.
Der Pakistani wurde in den Polizeigewahrsam verbracht und soll dem Haftrichter vorgeführt werden. Die Mordkommission hat die Ermittlungen aufgenommen.
Wir haben bereits des öfteren über Dienstwaffengebräuche berichtet, das gehört nun einmal leider zum Thema Polizei dazu. Die Medien berichten hier auch regelmäßig in etwa “Polizei schießt auf Mann” oder “Polizisten schießen auf Angreifer” oder “Flüchtiger Täter von Polizisten erschossen”. Hier spielt kaum eine Rolle, wie der rechtliche Status des Getroffenen ist, zumindest ist in der Schlagzeile nichts von der Nationalität, ob Migrant usw. zu lesen.
In diesem Fall ist das offenbar anders. Googelt man nach dem Vorfall, erhält man eine längere Trefferliste und auffällig ist hier, dass die Schlagzeile überwiegend lautet: “Polizisten erschießen Flüchtling”. Nur selten steht ergänzend in der Schlagzeile, dass es zuvor zu einem (Messer-) Angriff kam.
Tendenziöse Berichterstattung? Vorverurteilung gar?
Wir möchten den Medien nichts unterstellen, berichtet wird über diesen Vorfall sowieso und eine Schlagzeile muss gefunden werden. Ein ganz normaler journalistischer Vorgang. Doch selten sind sich die Medien so einig, dass das Wort “Flüchtling” in der Schlagzeile genannt werden muss, und das sogar bis ins Ausland.
Selten bekommen Schusswaffeneinsätze eine solche Aufmerksamkeit wie in diesem Fall. Oft kommen sie nur in der Lokal- oder Regionalpresse vor, manchmal auch als Dreizeiler überregional. Hier wird nicht nur bundesweit, sondern sogar europaweit ausführlich darüber berichtete, dass die Polizei einen Flüchtling erschossen hat. Und die Schlagzeilen sind auffällig übereinstimmend in der Wortwahl.
Die Polizei Berlin hat bislang auf eine eigene Pressemeldung verzichtet, vermutlich, um die Sache erst zu klären und dann zu berichten, vermutlich aber auch wegen des Vorbehalts der Staatsanwaltschaft, die mittlerweile eine Pressemeldung heraus gegeben hat.
Lediglich über den Twitterkanal der Polizei Berlin ist von dem Vorfall zu lesen. Insgesamt fünf Tweets wurden bislang veröffentlicht und nur in einem ist die Rede davon, dass es sich bei dem “festgenommene Bewohner einer Flüchtlingsunterkunft” um denjenigen handelt, bei dem der Verdacht des Kindesmissbrauchs besteht.
Ebenso lautet auch die Pressemeldung der Staatsanwaltschaft Berlin, die zusammen mit der Polizei herausgegeben wurde. Nüchtern, sachlich, neutral.
Natürlich kann man die Schlagzeile “Polizei erschießt Flüchtling” ebenso wertfrei betrachten. Beachtet man aber, dass insbesondere das Wort “Flüchtling”, aus welchen Gründen auch immer, derzeit ein Wort ist, das Aufmerksamkeit beim Leser verschafft und bei manchem in der gewählten Konstellation – ohne den Hinweis auf einen vorangegangenen Angriff – eine negative Erwartungshaltung wecken kann, dann könnte schon der Verdacht aufkommen, dass gerade mit dieser Schlagzeile tendenziös berichtet werden soll.
Hierbei darf man nicht vergessen, dass die eingesetzten Polizisten das Leben des eben Festgenommenen zu schützen haben – und hierbei spielt es keine Rolle, ob es sich um einen Ladendieb oder einen Sexualtäter handelt -, sowie auch ihr eigenes schützen mussten. Das sagt zwar noch nichts über die Rechtmäßigkeit aus, über die nur die Justiz urteilen kann, lässt eine solche Schlagzeile aber in einem anderen Licht erscheinen.
So hat sich mittlerweile in diesem Sinne auch eine der Polizeigewerkschaften zu Wort gemeldet und vor einer Vorverurteilung gewarnt, da in einigen Medien zudem die Rechtsmäßigkeit des Schusswaffengebrauchs angezweifelt würde.
Wie gesagt, keine Unterstellung unsererseits an die Medien, aber dennoch mal wert, darüber nachzudenken.
Uns bleibt abschließend zu diesem Vorfall nur noch der Familie des Angreifers zu kondolieren, denn nun muss die Frau ohne Ehemann auskommen und das Mädchen ohne Vater aufwachsen.
Den eingesetzten Kollegen wünschen wir eine gute Verarbeitung dieses schlimmen Vorfalles und hoffen mit ihnen auf eine positive Bewertung der Rechtmäßigkeit.