Warum hat der Polizist dem Täter nicht in die Beine geschossen?

24. Oktober 2016 um 19:26

Warum hat der Polizist dem Täter nicht in die Beine geschossen?In den vergangenen Monaten mussten wir leider des öfteren über Einsätze berichten, bei denen die Kollegen ihre Dienstwaffe einsetzen mussten. Manchmal konnte der Angriff durch einen gezielten Schuss ins Bein gestoppt werden, manchmal aber auch nicht und der Angreifer wurde schwer verletzt oder starb.

Immer wieder taucht hierbei dann die Frage auf, warum dem Täter nicht ins Bein geschossen wurde, anstatt in den Körper. Diese Frage kann jedoch nur in Unkenntnis der Fakten erfolgen, was man niemandem zum Vorwurf machen kann. Wer sonst wird schon mit einem Messer angegriffen und hat eine Schusswaffe griffbereit, um sich zu wehren? Hierzulande nur Polizisten.

Und genau darum soll es hier nun gehen. Als Beispiel nehmen wir einen aktuellen Fall aus Hagen (Nordrhein-Westfalen), über den wir in der vergangenen Woche wegen der sich überschlagenden Ereignisse nicht mehr berichten konnten.

Zunächst kurz der Fall:

Dort hatte ein Mann einen anderen Mann, der bereits verletzt war, mit einem schwertähnlichen Gegenstand (später stellte sich heraus, dass es sich um eine Machete handelte) verfolgt. Die Polizisten wollten den Angriff stoppen und den Angreifer festnehmen, woraufhin sie selbst angegriffen wurden.

Die Polizisten setzten ihre Dienstwaffe ein und schossen auf den Angreifer. Dieser wurde lebensgefährlich verletzt und verstarb trotz Reanimationsversuchen.

Warum schossen die Polizisten nicht auf die Beine?

Hierzu möchten wir zunächst Kollege Ulrich Bräuer von der Hagener Polizei zitieren. Er weiß, wovon er spricht, denn er ist schon seit Jahren Schießausbilder:

“Kommt ein Täter mit Messer dem Polizisten näher als sechs Meter und wurde er vorher deutlich angesprochen, das Messer niederzulegen, dann müssen Polizisten handeln wie sie es gelernt haben.” Das bedeutet, sie schießen.

“Und zwar auf den Rumpf, also die größtmögliche Fläche des Körpers. Die Frage, ob man nicht in ein Bein oder auf den Arm schießt, kann sich in dieser extremen und nahen Situation zwischen Täter und Polizist nicht stellen. In der Distanz unter sechs Metern könnte sich der Polizist nicht mehr gegen einen Messer-Angreifer verteidigen. Zumal die Kollegin in diesem Fall auch noch mit einer längeren Machete bedroht wurde”, so Bräuer.

Um es zu veranschaulichen: Steht der Täter 30 Meter entfernt und fuchtelt mit einem Messer, dann stellt das keine unmittelbare Bedrohung für uns Polizisten dar. Selbst wenn der Täter das Messer werfen würde, könnte man immer noch ausweichen.

Bei einer Entfernung etwas über 10 Meter sieht die Sache schon ganz anders aus. In diesem Fall könnte der Täter sich schnell auf uns Polizisten zubewegen, was die Reaktionsentfernung stark und schnell verkürzen würde. Gehandelt werden muss auf jeden Fall.

Bliebe es bei dieser Entfernung, wäre das Ziel den Angreifer kampfunfähig zu machen, notfalls auch durch einen gezielten Schuss ins Bein. Verkürzt sich die Entfernung jedoch, würde ein Treffer im Bein nicht unmittelbar den Angriff stoppen, da aus verschiedenen Gründen der Angreifer den Treffer vielleicht gar nicht bemerkt und trotzdem weiterlaufen könnte (was durchaus schon geschehen ist).

Also gibt es bei kurzer Distanz nur eine Möglichkeit: Schusswaffeneinsatz auf den Rumpf des Angreifers, so wie es Kollege Bräuer geschildert hat. Alles andere wäre unverantwortlich sich selbst und seinen Kollegen gegenüber.

Und genau das lernen wir Polizisten in Aus- und Fortbildung beim Schießtraining.

Wir hoffen, wir konnten mit diesem Beitrag dem ein oder anderen eine nachvollziehbare Antwort darauf geben, warum ein Schusswaffeneinsatz auf das Bein eines Angreifer nicht immer zielführend ist, nämlich sein eigenes oder das Leben anderer zu schützen bei einem tätlichen Angriff.

Links zum Thema:

http://www.presseportal.de/blaulicht/pm/30835/3459616

http://www.derwesten.de/staedte/hagen/unter-sechs-metern-wird-geschossen-id12289948.html

NACHTRAG:

Wir sind gebeten worden, eine Information zum oben genannten Vorfall in Hagen weiterzugeben. Da wir diese Information ebenfalls für wichtig halten, insbesondere auch im Hinblick darauf, dass dann auch niemand behaupten kann, die Kollegen wären “schießwütig” gewesen, kommen wir dem gerne nach.

Die eingesetzte Polizistin hatte auf den Angreifer einen einzelnen Schuss auf den Oberkörper abgegeben, der laut Obduktion Herz und Lunge durchdrang. Der Täter ist an Ort und Stelle sofort tot zusammengebrochen, was auch erklärt, warum die sofortigen Reanimationsmaßnahmen der Kollegen keinen Erfolg hatten.

Wir wünschen der Kollegin in diesem Zusammenhang eine gute Unterstützung bei der Verarbeitung dieses Vorfalles!