Polizisten und die Dienst- oder Amtsverschwiegenheit
Da ich einige Polizisten in meinem Freundeskreis habe und auch lange die Partnerin eines Polizisten gewesen bin, sind mir einige Tabu-Themen nicht ganz fremd. Hinzu kommt, dass ich sehr gerne Bücher lese, die sich mit diesen Themen befassen.
Da ich gerade ein solches Buch am lesen bin entstanden diese Zeilen.
In jedem Berufszweig verpflichtet man sich über interne Abwicklungen usw. der Verschwiegenheit. Doch geht es in vielen Berufen um interne Abwicklungen oder sonstiges. Diese haben weniger mit Erlebnissen und Bildern aus dem Dienstalltag zu tun oder mit Problemen die Menschen betreffen.
Doch genau das betrifft Polizisten und Einsatzkräfte umso mehr. Sie erleben in ihrem Dienstalltag oft Geschichten, sehen viele Bilder und Geschehnisse die verarbeitet werden müssen. Die man nicht immer so einfach weg stecken oder in einer Schublade ablegen kann. Einige Beispiele dazu sind: Leichen, Suizide, zerstückelte Menschen auf Bahngleisen, Dienstwaffeneinsätze, Suicide by Cop, Kindesmissbrauch, eigene Verletzungen usw.
Auch Mobbing ist hier oft ein Thema. Kollegen die einem „wortwörtlich fertig machen.“ Doch über all diese Themen müssen sie schweigen. Es gibt zahlreiche Schlagzeilen und Presseberichte über das Geschehene, aber nicht darüber, wie es dem Polizisten/der Polizistin geht und wie er/sie es erlebt hat und wie sie damit umgeht. Denn es sind Fälle, die unter die Verschwiegenheitspflicht fallen.
Jeder Beamte dürfte in Laufe seiner Dienstzeit einen solchen Vorfall im Gedächtnis haben, sei es die erste Leiche oder auch die eigenen Verletzungen durch Gewalttaten (physisch wie psychisch). Meist noch schlimmer ist ein Schusswaffengebrauch. Es sind Bilder und Vorwürfe, die das Geschehene unverarbeitet immer wieder in Erinnerung rufen. Alpträume die einem den Schlaf rauben oder Einsätze, die Eigentlich zur Routine gehören, aber auf Grund der Ähnlichkeit diesen speziellen Film wieder ins Gedächtnis holen (Flashback).
Gerade bei einem Schusswaffengebrauch ist es schwer für beide Seiten das erlebte zu verarbeiten. Man hat einen Menschen getötet oder zumindest schwer verletzt und macht sich einerseits Vorwürfe und noch vieles mehr, und auf der anderen Seite kommen die Vorwürfe der Menschen und Angehörigen dazu. Schießwütige Polizisten, Rambos usw.
Die Menschen in Uniform beschäftigen sich damit und verändern sich. Das bekommt dann auch das Umfeld zu spüren, egal ob als Freund/in oder als Partner/in. Sie schaffen es nicht, es einfach nach Dienstschluss in einen Ordner zu packen und es als erledigt ablegen zu können. Aber das würde auch niemand von uns so einfach schaffen, jeden von uns würde auch das Gewissen plagen, sich Vorwürfe machen, Zweifel haben.
Es würde vielleicht helfen darüber reden zu können, eine andere als die eigene Sicht dazu zu bekommen, damit es leichter und einfacher wird, es zu verarbeiten. Oft müsste man dazu noch nicht einmal alle Einzelheiten kennen, manchmal reicht einfach schon das Schweigen zu brechen, doch das dürfen sie nicht.
So haben auch viele, die in Einsätzen an den Grenze, waren, Schicksale von Flüchtlingen gesehen. Kleine Kinder die krank waren, ausgelaugte und verzweifelte Menschen. Bilder, die die Helfer mit sich herumschleppen. Einsätze, die an den eigenen Kräften zehren und die sie oft an ihre eigene Grenze brachten – und darüber hinaus. Doch auch darüber herrscht Schweigen.
Sicher gibt es eine Stelle, wo Polizisten darüber reden können. Doch wer wagt diesen Weg und auch die Zeit dafür ist sehr begrenzt.
Wäre es deswegen nicht sinnvoll, wenn Polizisten darüber sprechen dürften? Es geht nicht darum Einzelheiten und Namen bekannt zu geben, sondern um das Verarbeiten dieser Geschehnisse.
Würden wir Bürger und auch Angehörige dann nicht besser verstehen können, was es heißt Polizist/in zu sein, oder auch so manchen Reaktion besser nachvollziehen zu können?
Ist es für uns deswegen so schwer zu verstehen, das man nicht die Uniform, sondern den Menschen darin trifft und verletzt.
Müsste nicht dieses Schweigen gebrochen werden, damit die Polizisten es einfacher haben? Damit das Verarbeiten einfacher wird, aber auch Missstände bei der Polizei abgeschafft werden könnten?
Wie ist eure Meinung dazu?
Kommentare wie: Selbst schuld, Beruf wechseln usw. sind hier fehl am Platz. Denn hier geht es nicht darum, das Polizisten jammern oder sonstiges. Ähnlichkeiten zu diesen Zeilen wird es auch in anderen Berufen geben, wie Rettungsdienste und andere Einsatzkräfte. Wenn diese dann alle deswegen ihren Beruf wechseln würden, was wäre dann?