Unser Statement zu: Shitstorm – Abschiebung in Nürnberg eskaliert
Fakt: 9 Polizisten durch Wurfgeschosse verletzt
Gestern Morgen ist es im Rahmen des Vollzugs einer Abschiebeverfügung durch die Polizei in Nürnberg zu einer Situation gekommen, die sich niemand wünscht, auch nicht wir Polizisten. Die Situation eskalierte völlig und die Bilder, die man zu sehen bekam, waren alles andere als schön.
In den sozialen Medien entwickelte sich ein wahrer Shitstorm und auch in unserem Mailfach landete die ein oder andere Missfallensbekundung. Und immer wird der Polizei die Schuld in die Schuhe geschoben: An der Abschiebeverfügung, an der Eskalation, an der Vorgehensweise.
Dabei lassen diese Kritiker lediglich die Bilder auf sich wirken, ohne sich den Tatsachen zu stellen, die zu dieser unschönen Situation geführt haben und die nicht die Polizei zu verantworten hat.
Daher wollen wir an dieser Stelle Klarheit schaffen:
👉🏻 Was war passiert?
Ein 20-jähriger Afghane, der mittlerweile einen Deutschkurs belegt hatte und eine Schreinerlehre beginnen wollte, sollte zurück nach Afghanistan abgeschoben werden. Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) hatte dies so entschieden und die Zentrale Ausländerbehörde erließ einen Abschiebebeschluss. Offenbar hatte der Afghane in seinem Asylantrag nicht die Wahrheit offen gelegt, so dass möglicher Weise dies zur Abschiebung geführt haben könnte.
Die Abschiebeverfügung war dem 20-Jährigen auch dargelegt worden, so dass er wenig verwundert war, als die Polizei ihn morgens um 8 Uhr in der Berufsschule abholte. Er war auch zunächst kooperativ, bis sich einige Mitschüler mit ihm solidarisierten und eine Sitzblockade durchführten.
Dies führte dazu, dass der Streifenwagen, in den der Afghane verbracht werden und abtransportiert werden sollte, nicht mehr wegfahren konnte. Auch der junge Afghane wehrte sich nun und leistete Widerstand, so dass er mit Zwang in den Streifenwagen verbracht werden musste.
Geschlagene drei Stunden dauerte die Situation an. Die Einsatzkräfte versuchten mit den Blockierern zu reden, doch alles vergebens. Auch der verantwortliche Versammlungsleiter hatte keinerlei Einwirkungsvermögen auf die Blockierer, so dass von der Einsatzleitung entschieden wurde, den Afghanen in einen anderen Streifenwagen zu verbringen und abzutransportieren.
Nun eskalierte die Situation und es kam zu Handgreiflichkeiten, bei denen die Polizisten Pfefferspray einsetzen mussten. Doch es waren nicht alleine die Mitschüler der Berufsschule, die diese Eskalation herbeiführten. Laut Nürnbergs Polizeipräsident Johann Rast mischten sich auch militante Abschiebungsgegner unter die Schüler und versuchten mit roher Gewalt die Polizeiabsperrung zu durchbrechen.
👉🏻 Bilanz:
Neun verletzte Polizisten, die durch Wurfgeschosse, wie zahlreiche Flaschen und einem Fahrrad, verletzt wurden. Zwar konnten alle verletzten Beamten ihren Dienst fortsetzen, einer verlor hierbei jedoch einen Zahn.
Im Einsatz waren neben der Polizei Nürnberg ein Einsatzzug aus Erlangen und zwei Diensthundeführer.
Auf Seiten der Abschiebungsgegner gab es offenbar keine Verletzten. Ihnen wurde nämlich seitens der Polizei eine medizinische Versorgung angeboten, die jedoch mit dem Hinweis abgelehnt wurde, dass es keine Verletzten gebe. Vier von ihnen wurden in Gewahrsam genommen.
👉🏻 Was sagt die Nürnberger Polizei dazu?
Der Shitstorm, der der Nürnberger Polizei entgegen schlug, veranlasste sie zu einer öffentlichen Stellungnahme, in der es unter anderem heißt:
“Behörden wie das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge entscheiden über Hierbleiben oder Abschieben. Die Polizei kann dabei in keinster Weise mitreden oder gar Einfluss nehmen. Diese Entscheidung muss allein das BAMF treffen. Wir haben überhaupt nicht die Kenntnisse, die dazu erforderlich sind.
Die Zentrale Ausländerbehörde überträgt uns den Vollzug. Uns deshalb, weil diese Verwaltungsbehörde vom Gesetzgeber her keinerlei Möglichkeit hat, ihren eigenen Beschluss zu vollziehen. Es bleibt eben nur die Polizei.”
Und weiter:
“So ein Beschluss mit Rechtskraft lag heute vor. […] Sie werden nämlich schon lange vorher darüber informiert, dass sie abgeschoben werden müssen. Das war auch heute so. Und deshalb war es auch für den 20-jährigen Schüler der Berufsschule keine Überraschung mehr.”
👉🏻 Afghane droht mit Anschlag auf deutschem Boden
Wie Polizeipräsident Rast gegenüber der Presse erklärte, habe der abzuschiebende Afghane noch während des laufenden Großeinsatzes gegenüber Polizisten erklärt, dass er dass er in einem Monat sowieso wieder da wäre und er “dann Deutsche töten werde”.
👉🏻 Unser Statement:
Der aufmerksame Leser wird sicher erkannt haben, dass all das, was in Nürnberg geschehen war, zwar die eingesetzten Polizisten traf, diese aber der völlig falsche Adressat waren.
Es obliegt der Polizei in Abschiebefällen der Vollzug einer bestehenden Verfügung, die Rechtskraft erlangt hat. Das heißt, entweder wurde gegen die Abschiebeverfügung, die von der Ausländerbehörde angeordnet wird, nicht widersprochen, oder der Rechtsweg wurde gerichtlich bereits ausgeschöpft. Hiermit hat die Polizei aber überhaupt nichts zu tun.
Es ist lediglich Aufgabe der Polizei, die Verfügung durchzusetzen und hierzu stehen ihr alle Mittel zur Verfügung, die der unmittelbare Zwang zulässt. Man erkennt sehr schnell, dass die Polizei in diesem Fall in Nürnberg zum Prellbock wurde. Zum Prellbock derjenigen, die gegen die Abschiebung eines Mitschülers waren und insbesondere zum Prellbock derjenigen, die (ohne Kenntnis der Fakten) vor Ort in Nürnberg und im Internet auf die Kollegen einprügelten und immer noch einprügeln.
Eine Entscheidung von anderer Stelle führte zusammen mit militanten Abschiebungsgegner, denen die Folgen völlig egal sind, solange sie nur öffentlichkeitswirksam auftreten können und skrupellos eine Situation vorsätzlich eskalieren lassen, zu dieser Eskalation. Die Kollegen vor Ort hatten keine andere Möglichkeit, als irgendwann zu reagieren, nachdem drei Stunden lang die Deeskalationstrategie nicht zum Erfolg führte.
Die Kollegen hatten einen Auftrag: Den Afghanen in Gewahrsam und dem Abschiebegewahrsam zuführen. Und genau das haben die Kollegen auch gemacht und die Mittel lediglich der vorliegenden Situation angepasst, nicht umgekehrt. Nichts anderes sollte man hinein interpretieren, wenn man sich die Bilder anschaut.
👉🏻 Eines geben wir hierbei auch noch zu bedenken:
Vielleicht war der ein oder andere eingesetzte Kollege sogar derselben Meinung, wie die Abschiebungsgegner. Vielleicht waren sie mit der Abschiebeverfügung genauso wenig einverstanden. Vielleicht hatten die Kollegen auch vollstes Verständnis dafür, dass sich die Mitschüler solidarisierten, weil sie nicht wollten, dass ein Mitschüler, ein Freund, ein Person die man kennen und schätzen gelernt hat, bald wieder in ein Kriegsgebiet ausgeflogen werden soll.
Dafür haben auch wir Polizisten Verständnis. Es ändert aber nichts daran, dass wir unserem Auftrag gerecht werden müssen und der hieß: Abschiebung.
Vielleicht denkt der ein oder andere mal darüber nach, bevor er das nächste Mal einem Polizisten gegenübertritt, weil er mit einer Maßnahme nicht einverstanden ist. Jeder trifft für sich selbst die Entscheidung, wie er sich verhält und damit auch, wie sich der Polizist verhält, der ihm gegenüber steht.
Ich wundere mich etwas. Wenn man morgens um 8 jemanden in der Berufsschule antreffen kann, warum dann nicht vorher in seiner Wohnung? Oder auf dem Weg zur Schule?
Warum geht überhaupt jemand noch zur Schule, der angeblich genau weiß, dass er abgeschoben werden soll? Hat man ihm das vielleicht doch so deutlich nicht gesagt, gerade weil man befürchtete, dass er dann untertauschen würde?
Und auch wenn hier die Entscheidung einer anderen Behörde vollstreckt wurde: Hatte die Polizeiführung kein Mitspracherecht bei der Art und Weise, wie das erfolgen soll? Und hatte niemand bei der Polizei die Möglichkeit zu entscheiden, diesen Einsatz eventuell abzubrechen, nachdem man merkte, wie er eskaliert? Es ging ja wohl (trotz des in der Hitze der Situation gesagten schrecklichen Satzes) nicht um einen Gefährder.
Kurz: Könnte es sein, dass auch auf Seiten der Polizei Fehler bei diesem Einsatz passiert sind? Wäre ja nicht schlimm: Wo Menschen arbeiten, passieren Fehler – und wo Menschen unter großem Druck schnelle Entscheidungen treffen müssen, passieren vielleicht auch Fehler, die zwar schwere Auswirkungen haben, deren Zustandekommen aber völlig verständlich ist.
Ich finde eine Seite gut, die den Mensch hinter dem Polizisten zeigen will. Fehler machen ist menschlich. Zu behaupten, alle anderen seien schuld und nicht einmal in Erwägung zu ziehen, dass auch seitens der Polizei Fehler passiert sein könnten, wirkt auf mich aber unmenschlich und dient nach meinem Empfinden auch nicht dem Anliegen dieser Seite. Auch als Bürger könnte ich einer Polizei, die zu Selbstkritik fähig erscheint, viel mehr Vertrauen entgegenbringen – weil ich dann davon ausgehen könnte, dass wenn ich als unbescholtener Bürger in eine blöde Situation mit der Polizei gerate und etwas schief läuft, nicht schon deswegen allein mir die Schuld gegeben wird und ich nicht mehr als “unbescholten” gelte, weil die Polizei ja grundsätzlich nichts falsch macht. Gerade wenn man nicht unfair kritisiert werden will, sollte man das Kritisieren vielleicht nicht allein den Leuten überlassen, die einem wenig verständnisvoll gegenüber stehen und sich dagegen in einer Wagenburg der vermeintlichen Fehlerlosigkeit verschanzen. Und gerade bei diesem Einsatz erscheint mir zumindest erklärungsbedürftig – übrigens auch und gerade gegenüber Ihren verletzten Kollegen – warum man das genau so durchziehen musste und keine anderen Optionen hatte.