Auf Schuld folgt Unschuld: Angeklagter freigesprochen – Polizist trägt bleibende Schäden davon
Es ist der Grundsatz eines Rechtsstaates, dass niemand, der einer Tat nicht zweifelsfrei überführt werden kann, dafür auch nicht bestraft werden kann. Dennoch wird man bei dem folgenden Fall das Gefühl nicht los, es mit einer Justizposse zu tun zu haben.
Rückblick
Der Vorfall liegt nun schon vier Jahre zurück. Im August 2015 kam es im niedersächsischen Meckelfeld auf dem Dorffest zu einer Schlägerei, zu der die Polizei gerufen wurde. Ein damals 31-jähriger Polizist war einer der Ersten am Einsatzort und wurde von einem Mann unvermittelt geschlagen, so dass der Polizist zu Boden ging und mit dem Kopf auf dem Asphalt aufschlug.
Der Beamte trug schwerste Schädel-Hirn-Verletzungen davon, es bestand Lebensgefahr. Er wurde in einer Hamburger Klinik notoperiert und in ein monatelanges künstliches Koma versetzt. In der folgenden Reha musste er erst wieder Sprechen und Laufen lernen. Man sieht ihm noch heute die Spätfolgen an.
Das Amtsgericht (AG) Winsen an der Luhe verurteilte den Tatverdächtigen 2017 wegen schwerer Körperverletzung und Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte zu 4 Jahren Haft und ging damit noch über den Antrag der Staatsanwaltschaft hinaus, die 3 Jahre und 3 Monate gefordert hatte. Wir berichteten.
Der Freispruch
Der Verurteilte ging in Revision und der Fall landete dann vor dem Landgericht (LG) Lüneburg, welches den Schuldspruch des AG Winsen bestätigte, jedoch die Freiheitsstrafe um sechs Monate auf 3 Jahre und 6 Monate kürzte.
Auch hiernach ging der Verurteilte in Revision und das Oberlandesgericht (OLG) Celle stellte fest, dass die Beweise von den Vorinstanzen nicht richtig gewürdigt wurden und verwies das Verfahren an das LG Lüneburg zurück.
Hier kam man nun, bei gleicher Beweislage, zu einem völlig gegenteiligen Urteil wie zuvor. Obwohl der 35-jährige Angeklagte selbst nicht von seiner Unschuld überzeugt ist, weil er wegen des Konsums von Alkohol Erinnerungslücken hat, wurde er freigesprochen – dem Antrag von Anklage und Verteidigung folgend. Die Zeugenaussagen seien widersprüchlich und daher sei dem Angeklagten die Tat nicht zweifelsfrei nachzuweisen, so das LG.
Der Urteilsspruch sorgte für starke Emotionen im Gerichtssaal. Die zahlreich vertretenden Polizisten, die die Verhandlung aufmerksam beobachtet hatten, schüttelt verständnislos den Kopf. Die Ehefrau des so schwer verletzten Polizisten, die mit ihrem Mann als Nebenkläger auftrat, brach sofort in Tränen aus.
Ob dieser Freispruch rechtskräftig wird bleibt erst einmal offen. Es heißt, dass die Nebenklage in Revision gehen möchte.
Angesichts dessen, wie der Kollege zugerichtet wurde und bis heute nicht mehr in den Dienst zurück kehren konnte, absolut verständliche Reaktionen. Sollte er in Revision gehen, werden noch einmal mehrere Jahre ins Land gehen, bis unter die Sache ein Schlussstrich gezogen werden kann.
Bei Gerichtsurteilen dieser Art kommt mir persönlich immer mehr der Verdacht, dass hier Täterschutz und nicht mehr Opferschutz betrieben wird, wie ich das gerne bezeichne. Dem verletzten Polizeibeamten wird wahrscheinlich nichts anderes übrig bleiben als mit seinem Fall an die Presse zu gehen. Es gab ja bereits Berichterstattungen über im Dienst schwerstverletzte Polizeibeamte, die jahrelang um ihr Recht kämpfen mussten. Wahrscheinlich werden dem Beamten auch nicht die finanziellen Einbußen erstattet bzw. ein Schmerzensgeld gezahlt meine Vermutung. Armes Deutschland kann ich nur sagen. Ich bin ebenfalls empört und für solche gerichtlichen Entscheide fehlt mir auch das Verständnis. Angesichts solcher Tatsachen brauchen wir uns alle nicht zu wundern, wenn bei den Ermittlungsbehörden Personalmangel herrscht. Von Seiten der Politik und anscheinend auch den Justizbehörden kann man offenbar nicht mehr viel Rückhalt erwarten. Abgesehen davon wäre ich angesichts der Vielzahl an Gewaltdelikten, wo Alkohol mit im Spiel ist, sehr dafür, wenn dieser als Droge deklariert würde bzw zumindestens der Verkauf eingeschränkt würde. Viele Zeitgenossen wissen leider nicht mehr, wann sie aufhören sollten zu trinken. Darunter zu leiden hat dann der unbeteiligte Bürger und vor allem die Polizisten im Dienst. Abgesehen davon, egal ob Alkohol im Spiel ist oder nicht, Gewaltakte sind unterste Schublade und jeder Täter sollte dafür die Verantwortung tragen müssen, auch von Seiten der Justiz rechtskräftig verurteilt werden. Ich hoffe für den verletzten Polizeibeamten, dass er wieder ganz gesund wird und noch zu seinem Recht kommt. Und vor allem dass er den nötigen Rückhalt erfährt. Angesichts solcher Berichterstattungen kommen auch mir die Tränen. Mit Rechtsprechung hat das für mich nichts mehr zu tun.