Silvestereinsatz in Connewitz: Offener Brief an SPD-Vorsitzende Saskia Esken
Sehr geehrte Frau Esken,
mit Fassungslosigkeit habe ich Ihre Äußerungen zum Polizeieinsatz in Leipzig-Connewitz gelesen. Auch wenn Sie jetzt schon wieder zurückrudern, ist es unerträglich, dass Sie sich in dieser Art und Weise äußern. Solche Äußerungen sind eine Beleidigung und Diskreditierung für alle Kolleginnen und Kollegen der Polizei und schüren die diesen entgegengebrachte Respektlosigkeit. Allein die Auffassung, dass die Anwesenheit von Polizei eine Provokation ist, ist infam.
Sie und viele Genossinnen und Genossen sowohl bei der SPD, als auch bei den „Linken“ äußern „Betroffenheit“, wenn es Verletzte auf Seiten der Polizei gibt. Meist erst dann, wenn es gar nicht mehr anders geht, weil andere Politiker schon reagiert haben. Das sind einstudierte Worthülsen. Solche Äußerungen, wie diese nach Leipzig-Connewitz, entsprechen eher dem, was Sie tatsächlich denken.
Sie wundern Sie sich, dass Teile der Bevölkerung keinen Respekt mehr vor der Polizei haben? Sie wundern sich, dass Kolleginnen und Kollegen der Polizei beleidigt, bespuckt, bedroht, körperlich angegriffen, verletzt oder sogar getötet werden?
Haben Sie eine Ahnung, welchen physischen und psychischen Belastungen die Kolleginnen und Kollegen jeden Tag ausgesetzt sind, um uns und unseren Staat zu schützen?
Ich weiß, wovon ich spreche. Als Anwalt arbeite ich seit Jahren für die Polizei in Hessen, vertrete viele Kolleginnen und Kollegen, die sich plötzlich z.B. mit unberechtigten Anzeigen wegen angeblicher Übergriffe auf „harmlose“ Menschen auseinandersetzen müssen, nur weil sie den Auftrag haben, unseren Staat zu schützen und diesem Respekt zu verschaffen. Ich muss mich mit Richtern und Staatsanwälten auseinandersetzen, die Polizisten vorwerfen, sich (und damit unseren Staat und unsere Institutionen) bei Angriffen verteidigt zu haben, anstatt auszuweichen. Warum soll der Staat zurückweichen?
Ich hatte eine Auseinandersetzung mit einer Staatsanwältin, die einer Polizistin, meiner Mandantin, vorhielt, sie solle nicht im Bahnhofsviertel als Polizistin arbeiten, wenn sie sich nicht von einem „Ausländer“ beleidigen lassen wolle. Was ist das für eine Denke?
Ich führe viele Gespräche mit Kolleginnen und Kollegen, ich habe mich mit der Arbeit in Polizeirevieren vertraut gemacht, Ausbildung von Polizeihundeführern angesehen, die z.B. nach Sprengstoff oder Waffen suchen sollen.
Ich habe in meiner Kanzlei immer wieder Kolleginnen und Kollegen, die ihren Job lieben, aber verzweifelt und mit den Kräften am Ende sind, weinen, weil sie keinen Rückhalt mehr bei der Politik verspüren. Und Teil dieser Politik sind Sie, Frau Esken. Und leider auch viele andere Politiker.
Und nein, ich bin kein Nazi, nur weil ich diese Themen anspreche. Ich bin von meinen Eltern erzogen worden, mit offenen Augen durchs Leben zu gehen, mich nicht zu verbiegen und die Wahrheit anzusprechen. Ich lebe offen schwul und wäre früher mit einem „rosa Winkel“ versehen in ein KZ gebracht worden.
Es ist zu begrüßen, dass Sie die Einladung der GdP zu einem Gespräch über Polizeiarbeit angenommen haben. Es ist gut, dass die GdP sich so hinter ihre Mitglieder stellt. Es wäre aber besser, wenn Sie sich selbst ein Bild davon machen würden, was die Kolleginnen und Kollegen der Polizei täglich für uns alle, für Sie, für mich und auch für die Chaoten leisten, anstatt ein Gespräch bei Kaffee, Kuchen und Schnittchen zu führen, ein paar Hände zu schütteln und ein paar Werbefotos für die Medien zu machen.
Machen Sie z.B. mal in Hessen oder einem anderen Bundesland eine 12-Stunden-Schicht mit, die nie nach 12 Stunden zu Ende ist. Egal in welchem Bundesland, eine Schicht ist nie pünktlich zu Ende.
Machen Sie mal einen sogenannten Umlauf mit, bei dem mit einer Pause ein Tag- und ein Nachtdienst aufeinander folgen.
Machen Sie mit den Kolleginnen und Kollegen Dienst in einem Schwerpunktrevier wie z.B. dem Bahnhofsviertel in Frankfurt oder dem von linken Chaoten bevölkerten Stadtteil Leipzig-Connewitz. Erleben Sie mit, wie die Kolleginnen und Kollegen bespuckt und beleidigt werden. Wie sie angegriffen werden und auch die Flucht ergreifen müssen, weil sich plötzlich Dutzende zusammenrotten, weil das „ihre Strasse“ ist.
Denken Sie mal an den G-20-Gipfel in Hamburg, bei dem Polizisten von Dächern und Baugerüsten mit Steinen beworfen wurden. Ich habe nach den Krawallen in Hamburg einen hessischen Kollegen vertreten, der, vor Ort eingesetzt, von einem „rechtschaffenen Bürger“ mit dem Auto bewußt angefahren wurde, den Täter deswegen verhaftet hat und dafür dann eine Anzeige wegen angeblicher Körperverletzung im Amt anhängig hatte.
Einen Freispruch können wir nur erzielen, weil wir Videoaufnahmen eines kanadischen Fernsehjournalisten fanden, der die für ihn skurrile Szenerie gebannt gefilmt hatte und seinen dortigen Kollegen fassungslos hiervon berichtet hatte.
Erleben Sie mit, wenn Kolleginnen und Kollegen Verhaftungen abbrechen müssen, weil sich Menschen zusammenrotten und die zu Recht festzunehmende Person unter Gewalteinsatz befreien.
Erleben Sie mit, wenn bei einer Hausdurchsuchung wegen z.B. Drogen und/oder Waffen der verdächtige „ausländische Mitbürger mit Migrationshintergrund“ eine Polizistin anpöbelt: „Halts Maul Du Schlampe, mit Dir rede ich nicht, Du bist eine Frau“.
Erleben Sie mit, wenn Polizisten eine Wohnung öffnen müssen und eine verweste Leiche finden.
Erleben Sie mit, wenn Polizisten einen Ladendieb festnehmen sollen und nur deswegen von diesem und auch unbeteiligten Dritten als „Nazis“ beschimpft werden.
Erleben Sie mit, wenn Kolleginnen und Kollegen der Polizei, so wie leider gerade heute Nacht hier im Taunus nur einige Kilometer entfernt geschehen, zu Eltern und Angehörigen fahren müssen, um ihnen mitzuteilen, dass ihr Kind und/oder ein Angehöriger bei einem Verkehrsunfall ums Leben gekommen ist.
Das, Frau Esken, ist das Tagesgeschäft. Das sind keine „bedauerlichen Einzelfälle“, wie sich die Politik immer bemüht zu betonen. Und da gibt es keine „falsche Taktik“. Das ist die Wirklichkeit. Jeden Tag.
Erst wenn Sie das alles selbst miterlebt haben, haben Sie das Recht (und dann wahrscheinlich auch die Pflicht) sich zu den unermüdlichen Einsätzen der Polizei zu äußern. Und ich bin sicher, dass sie dann keinen ideologisch verbrämten Unfug wie in Sachen Leipzig mehr von sich geben.
Mit freundlichen Grüßen
Christoph B. Stephan, Rechtsanwalt
(Verlinkungen wurden für ein besseres Verständnis von uns hinzugefügt.)
Vielen Dank an den Rechtsanwalt. Ich kann ihm nur zu 100 Prozent zustimmen. Jedem Politiker und Kritiker empfehle ich einmal, sein Büro zu verlassen und auf die Straßen und in die Häuser zu gehen. Das Leid der Obdachlosen, der Flüchtlinge, der Arbeitslosen, vieler alter und kranker Menschen in Armut,der Verletzten bei Verkehrsunfällen und Opfern von Gewalt und Unrecht, der Menschen, die durch Mobbing mundtot gemacht werden, zu sehen.
Dies alles erleben Einsatz und Rettungskräfte täglich bei ihren Einsätzen zusätzlich hautnah und Bürger, die hinsehen und mit offenen Augen durch diese Welt gehen, nehmen diese Zustände ebenfalls wahr. Und dann erhalten Einsatzkräfte für diese Arbeit, die sie tun, noch Kritik, Beleidigungen und Schmähungen. Wer möchte zu dem Elend, das er sieht und der Gewalt, die er zu verhindern sucht, noch selbst zur Zielscheibe von Gewalt werden? Ich glaube niemand. Ein indianisches Sprichwort besagt:“Urteile nie über einen anderen bevor du nicht einen Mond lang in seinen Mokassins gelaufen bist.“
Wenn jeder, nicht nur Politiker, sich einmal mit all diesen Personengruppen unterhalten und sich in deren Lage hinein versetzen würde, der würde nicht mehr vorschnell, Einsatz- und Rettungskräfte kritisieren und ebenso nicht einfach andere Menschen verurteilen. Er würde nachdenken und den Menschen, die sich dem tagtäglich aussetzen, mit Dankbarkeit und Respekt begegnen. Er würde auch allen anderen Personen, die am Rande unserer Gesellschaft stehen, mit Verständnis begegnen, denn niemand ist vor Schicksalsschlägen geschützt. Es kann jeden treffen. Und dies sich einmal ins Gedächtnis zu rufen, macht dankbar. Dankbarkeit für das Leben insgesamt und Dankbarkeit für all jene, die raus gehen, um unser aller Leben zu schützen und zu retten, wenn es notwendig ist. Daher ein ganz großes Dankeschön ❤️ an alle Einsatz- und Rettungskräfte. Meinen Respekt und mein Verständnis habt ihr.
Hallo,
bin „nur“ in offentlichen Dienst tätig ABER das was die Kollegen tgl. leisten ist enorm. Es ist mal Zeit danke zu sagen, fürs Kopf hinhalten und das ohne bzw. wenig Wertschätzung von „oben“.
Danke auch dem mutigen Anwalt!
Pingback: Leipzig-Connewitz: Offener Brief eines Anwalts an SPD-Vorsitzende Esken | 1984 - Das Magazin
Das es sowas noch gibt, einfach nur Respekt !!! – der sich für die Polizistinnen und Polizisten einsetzt und sich vor ihnen stellt und auch für sie kämpft – ihre Rechte und nicht nur Pflichten !!!
So direkt, das wünschte man sich mal von dem “ Obersten Dienstherrn der Polizei – dem Innenminister “ !!!
Diese Herrschaften sollen doch dann mal zu den Menschen gehen ( und nicht aus der warmen Stube dumme Kommentare abgeben ) und zur Besonnenheit aufrufen. Der Kampf findet nicht im Willy Brandt Haus statt: “ RAN AN DIE BASIS “ aber ohne Polizeischutz – in der 1. Reihe und ohne Helm !!!! – !!! Denke das geht nicht gut aus und die Polizei wurde dann sagen, sie haben sich taktisch nicht gut verhalten, Frau Esken, mehr können wir leider für sie nicht tun
Pingback: Silvestereinsatz in Connewitz: Offener Brief an SPD-Vorsitzende Saskia Esken – Die Wahrheitspresse
Ich stehe absolut hinter Ihnen mit Ihrer Meinung. Was die Polizei hier täglich leistet um die öffentliche Ordnung zu erhalten ist enorm. Und es ist sehr bedauernswert, das die Politik ihren Staatsschützern in den Rücken fällt. Ebenso wie Sie, vertrete ich die Meinung, dass ein Politiker oder eine Politikerin die Arbeit eines Polizisten oder einer Polizistin kennen sollte um sich bewusst zu machen was teilweise abläuft. Ich würde ebenso eine Befugniserweiterung sowie grundlegende strukturelle Veränderungen vorschlagen. Deutschland ist ein Einwanderungsland. Das ist grundsätzlich kein Problem und ich betrachte das als eine Bereicherung. Allerdings sollte die Polizei entsprechend den Anforderungen die nötigen Befugnisse bekommen um angemessen reagieren zu können.