Erfahrungen einer Polizistin: Corona sorgt dafür, dass die Menschen durch ihre eigenen Gedanken verrückt werden
” ➖ Die drehen alle durch ➖
Jeder von uns, alle Polizistinnen und Polizisten, erleben es gerade. Manche mehr und manche weniger. Ich weiß nicht, ob es überall so ist, aber in Berlin fangen die Menschen an, durchzudrehen.
Die Frage ist, wieso?
Ich beobachte in Dienst folgendes: natürlich haben die Läden zu – mit Ausnahme von XYZ. Eigentlich hat gefühlt alles geöffnet, außer offensichtliche Läden, wie Klamottengeschäffte, Shisha Bars und Cafés. Die Straßen sind etwas leerer als vorher, denn viele sind im Home Office. Viele nennen es auch ‘bezahlter Urlaub’. Für viele ist es schön zuhause zu sein, für andere (die mit Kindern Daheim oder die, die aufgrund von Arbeitslosigkeit nun zuhause sein müssen) ist es die Hölle.
Vieles hat sich geändert in den letzten Wochen. Meinen Job mache ich trotzdem wie vorher. Aber der Bürger ist anders geworden. Es ist wie eine zweigeteilte Bevölkerung.
Auf der einen Seite erlebe ich mehr Dank als früher. Menschen, die sich für die normalsten Einsätze bedanken, die auch tatsächlich ein DANKE aussprechen (in Berlin eine Seltenheit).
ABER auf der anderen Seite auch noch mehr Unverständnis. Provokation, Missgunst gegenüber der Politik wird an uns ausgelassen. Sie denken, dass WIR was zu sagen hätten. Sie denken, dass WIR die Maßnahmen erfunden haben und das machen, um andere zu ärgern. Es werden noch mehr Maßnahmen in Frage gestellt, es kommt noch mehr Widerstand vom Bürger.
All das könnte ich persönlich aushalten. Aber es gibt etwas, dass mir in dieser Zeit sehr aufgefallen ist.
Es ist alles Kopfsache.
Kopfsache – wie kann sie so etwas sagen bei einem Virus. Ich meine NICHT das Virus. Ich bin kein Arzt und kann dazu nichts sagen. Es geht mir darum, wie die Gesellschaft damit umgeht.
Überall redet man über #stayhome, Ausgangssperren und Kontaktverbote. Die Menschen stellen es dar, als säße man in Deutschland in seiner Wohnung gefangen – wie im Gefängnis. Dabei gehen die Menschen mehr raus als noch vor ein paar Wochen.
Als es vor 4-5 Wochen noch Minusgrade draußen hatte, war kein Mensch auf der Straße. Die Straßen waren nachts menschenleer und die Tage waren ruhig, ohne viele Einsätze.
Doch was passiert jetzt? Wir eilen von einem Einsatz zum nächsten. Wir sollen Personal reduzieren, um uns zu schützen, doch es geht nicht. Weil alle durchdrehen. Weil sie DENKEN, sie seien so eingeschränkt und weil sie sich EINREDEN, ihnen würde die Decke auf den Kopf fallen. Dazu streitet man sich über Toilettenpapier und Mehl.
Alles Kopfsache. Würden wir uns mal vor Augen führen wie viele Lebensmittel uns noch zur Verfügung stehen, würde niemand hamstern. Würden alle mal bewusst darauf achten, wie wenig sie vor ein paar Wochen noch freiwillig draußen waren, würde ihnen das jetzige Reduzieren der Aktivitäten außer Haus gar nicht so schwer fallen.
Aber nein. Der Egoismus blüht auf und für uns bedeutet das mehr Arbeit denn je. Der Frühling ist immer arbeitsintensiver als der Winter, aber Corona sorgt für viele verrückte Menschen. Corona sorgt dafür, dass die Menschen durch ihre eigenen Gedanken verrückt werden. Corona bringt einen Frühling 2.0 – leider keinen der guten Art.
Was ich sagen will? Wir als Polizei müssen irgendwie mal wieder alles aushalten… aber wir machen es, weil wir unseren Job so lieben. Oder?
Haltet durch und #staysafe 💙”
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Die Kollegin ist uns persönlich bekannt, möchte jedoch anonym bleiben.
Hi, das ist wunderbarer Artikel, der es genau auf den Punkt bringt.
Menschen bleiben in mancher Hinsicht kleine Kinder, die schon ewig nicht mehr mit ihrem Spielzeug gespielt haben. Nimmt man es weg, weil nicht mehr genutzt, will man es sofort haben.
Tatsächlich habe ich in den letzten Wochen auch viel Kopfkino geschaut . Allerdings habe ich schnell festgestellt, dass ich trotz der ganzen Maßnahmen irgendwie ausgeglichener bin als vorher. Man hetzt nicht mehr von einem Termin zum anderen, sondern hat Zeit, sich auf einen selbst und das was wichtig ist zu fokussieren. Natürlich würde ich auch gerne wieder zum Kickboxtraining oder in die Kletterhalle fahren, aber es ist ja nicht so, dass es keine Alternativen gibt. Wir sind alle so im Alltagstrott drin, dass vielen kreatives Denken abhanden gekommen ist. Ab nach draußen in den Wald (bitte Mülltüten nicht vergessen uuuund Abstand halten) und einfach mal Luft atmen. Onlinesport mit Freunden, vergangene Bekanntschaften aufleben lassen, Blutspenden gehen, und und und.
Bei den meisten Menschen habe ich auch eine positive Veränderung festgestellt. Man geht sorgsamer miteinander um und ist irgendwie umgänglicher gegenüber anderen.
Es wäre schön, wenn das auch nach Corona noch anhalten würde . Und bis auf wenige Ausnahmen scheinen die meisten Leute die Maßnahmen zu akzeptieren. Umso wichtiger finde ich, dass man diejenigen, die sich nicht daran halten, die Konsequenz dessen bewusst macht. Und wenn das in Form eines Bußgeldes ist ….♀️.
Deswegen auch an euch einfach ein riesiges Danke und schön, dass es euch gibt. Bleibt gesund und ich wünsche uns allen, dass der Spuk ein baldiges Ende hat. ☺️. LG aus Bonn.
Hallo,
Das hat den Nagel auf den Kopf getroffen!
Danke für diesen tollen Bericht!:)
Halte auch du durch!
Die Technik und Unterhaltungsindustrie hat die Gesellschaft durch alle Schichten so bespasst, dass kreatives und eigenständiges Denken abhanden gekommen sind. Die Medien und soziale Netzwerke verursachen gezielt durch Übertreibungen, Horror und Fakenews gezielt Kopfkino und Panikmache. Dabei kann man sich genug auch kreativ zu Hause bzw allein beschäftigen. Gartenarbeit, Balkon zum Minigarten und Insektenparadies umgestalten, Hometrainer, Sandsack anschaffen, was es mittlerweile auch zu mieten gibt, Lesen, Basteln, Schreiben, Handarbeiten, Musik hören und selbst musizieren. Da gibt es Möglichkeiten ohne Ende. Nur leider lernt das kaum einer mehr und viele Kinder werden lieber vors TV oder die Spielkonsole gesetzt statt das Kreativität und Bewegung spielerisch gefördert wird. Und aus diesen Kindern werden dann irgendwann auch solche Erwachsenen, die Alleinsein, Einschränkungen und sich mit weniger zufrieden geben nicht aushalten können und dann auf dumme Ideen kommen. Im Übrigen sehe ich dies auch unter anderem als Ursache für die steigende Gewalt und Verrohung in unserer Gesellschaft an, die sich durch alle Schichten zieht. Und was ich leider auch beobachte, ist, dass selbst hohe Bussgelder einige nicht unbedingt abschrecken. Diejenigen mit höherem Einkommen interessieren manche Beträge in Bußgeldbescheiden nur peripher. Daher denke ich, dass Bussgelder nach Einkünften und nicht unbedingt nach Strafmaß verhängt werden sollten. Im Übrigen glaube ich auch, dass manchen schon kurze Denkpausen in Haft oder gemeinnützige Arbeit generell eher helfen würden statt Bussgelder und Bewährungsstrafen und zwar den mehrfach Unbelehrbaren.