Gedanken einer Polizistin: Aktuell wird es uns als Polizistenpaar nicht leicht gemacht
“Liebes Team,
ich möchte kurz ein paar Zeilen zu der derzeitigen Situation eines Polizistenpärchens mit Kindern wiedergeben, da ich die derzeitige Situation als sehr anstrengend empfinde und auch einfach mal mitteilen möchte, wie es sich aus unserer Sicht anfühlt.
Natürlich arbeitet mein Partner Vollzeit und ich aufgrund der drei Kinder als Teilzeitkraft, jedoch beide im Schichtdienst. Wir sind stets bemüht, dies so gut wie möglich unter einen Hut zu bringen. Doch aktuell wird es uns als Polizistenpaar nicht leicht gemacht.
Von heute auf morgen wurden auf unseren Dienststellen plötzlich Dienste geändert, natürlich wegen Corona. Es soll keine Überlappung mehr zwischen den Schichten stattfinden, 10 Stunden Dienste werden zu 12 Stunden Diensten. 5 Schichten sollen auf 4 Schichten reduziert werden… ohne Vorlaufzeit, ohne Planung für die, die diesen Dienst nun verrichten müssen.
Da hängt man schon mal kurzfristig in der Luft, denn nun heißt es wieder, Dienste umplanen, schauen, wie man arbeiten kann, damit die Kinderbeaufsichtigung gegeben ist.
Zum Glück haben wir beide tolle Dienstgruppenleiter, die dafür ein unheimlich großes Verständnis aufbringen und eine super Dienstgruppe, die manch spontane Änderungen hinnehmen und dich trotzdem integrieren, auch wenn du eben nicht alle Dienste oder gewisse Zeiten arbeiten kannst.
Klar, es gibt eine Notfallgruppe im Kindergarten. Wenn allerdings deine Kinder die einzigen sind, die dann im Kindergarten sind, ist das auch wenig hilfreich und man versucht, es so hinzubekommen, dass man als Paar so klar kommt, denn eine Betreuung durch die Großeltern ist nunmal aktuell auch nicht drin.
Zudem möchte man die Kinder doch so gut wie möglich isolieren, denn die Gefahr, dass wir beide eventuell den Virus mit nach Hause bringen, ist aus unserer Sicht auch sehr hoch. Dann versucht man auch deshalb, die Kinder nicht in den Kindergarten zu geben, um nicht eventuell die Erzieherinnen in Gefahr zu bringen.
Die Situation ist für alle im Moment nicht leicht und vielleicht empfindet der ein oder andere dies als ‘Jammern auf hohem Niveau’, dennoch fühlt es sich alles andere als toll an, wenn man mit seinem Partner nun nur noch den einen Tag zusammen als freien Tag bezeichnen kann, wenn der andere frühs vom Nachtdienst kommt und erstmal ausschläft.
Wie lange diese Situation anhalten soll, weiß keiner. Als Polizist wird von dir erwartet, immer schön brav weiterzumachen. Denn schließlich bist du ja aus freien Stücken bei der Polizei gelandet und schließlich hat man als Polizist ja auch viel Freizeit. Doch was bringt dir diese Freizeit, wenn du sie nun ausschließlich nur noch mit deinen Kindern verbringen kannst, weil der Partner in deiner Freizeit seinen Dienst verrichten muss und andersrum?
Und ja, natürlich hat man die Kinder auch freiwillig bekommen… doch wie schwer es für ein Polizistenpaar ist, alles unter einen Hut zu bekommen, darüber spricht keiner… und ja, auch dies haben wir uns freiwillig ausgesucht… zumindest ein wenig, denn wo die Liebe hinfällt, ist genauso wenig planbar, wie der Weg, den das Leben für einen bereit hält.
Ich bin dennoch dankbar, dass dies aktuell die einzigen Sorgen sind, die wir haben. Denn eins ist sicher, als Polizist musst du dir keine Gedanken um deinen Job machen… Wir gehen nicht in Kurzarbeit oder unsere Firma wird eventuell aufgrund der Coronakrise schließen… Doch auch für uns ist es alles andere als leicht.
Ständige Überprüfungen, ob sich die Leute an die Ausgangsbeschränkung halten und die damit verbundenen Ausreden… sie machen so müde und auch so wütend. Und leider hat man das Gefühl, dass viele einfach denken, das Leben hat sich außer den Schließungen nicht geändert. Jugendliche, die sich draußen zum Alkoholkonsum treffen und deren Eltern es nicht die Bohne interessiert. Familien, die sich trotzdem zuhause besuchen, obwohl sie nicht in einem Haushalt leben…
Als ich mich für diesen Beruf entschieden habe, war noch so vieles anders und gefühlt so viel leichter. Was noch alles passieren wird und was noch alles auf uns zukommen wird – nobody knows.
Ich wünsche meinen Kollegen und deren Familien, die natürlich auch mitleiden, ob Polizistenpaar oder nicht, dass sie diese Situation gut meistern werden, den Kopf nicht in den Sand stecken und vor allem eins, dass sie gesund bleiben!
Anmerken möchte ich, dass mir durchaus bekannt ist, dass wir nicht die einzigen sind, die unter dieser Situation leiden und dass es diverse Konstellationen gibt, die es derzeit auch nicht leicht haben. Ich wollte jedoch lediglich mal aus unserer Perspektive erzählen.”
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Die Kollegin ist uns namentlich bekannt, möchte jedoch anonym bleiben.
Oh man! Ich kann es euch so gut nachfühlen. Ihr tut mir von Herzen leid. Es ist schon eine große Belastung für die Partnerschaft und Familie. Und es ist nicht jammern auf hohem Niveau! Ich hoffe sehr, dass bessere Zeiten wieder kommen und ihr vielleicht auch einen Ausgleich dafür bekommt an Zeit. Und nicht bei allem, was man im Prinzip selbst gewählt hat, muss man auch alles ertragen. Was ist das für eine Logik? Ihr habt die Entscheidungen ja unter ganz anderen Umständen getroffen. Seid gesegnet in Dienst und im privaten!
Was die Polizeibeamtin schreibt zum Thema Jugendliche, wo die Eltern es nicht interessiert,was die Kinder machen.Ich habe zwar auch öfter das Gefühl,dass Polizeibeamte mittlerweile auch mehrere Berufssparten wie z.B.Erzieher und Pädagogen ausfüllen müssen, weil die Eltern abwesend sind.Dass es sie nicht interessiert, glaube ich nicht uneingeschränkt. Auch andere Familien haben selbiges Problem wie die Beamtin und ihr Partner selbst.Beide müssen arbeiten, da sonst wahrscheinlich der Lebensunterhalt für Miete, Haushaltskosten etc nicht reicht. Früher hatte unsere Gesellschaft Großfamilien, die die Abwesenheit der Eltern auffingen, wobei aufgrund der Pandemie die Großeltern nun auch wegfallen. Das ganze ist auch ein Problem der sozialen Ungerechtigkeit hier, dass in manchen Branchen sehr gut verdient werden kann, während in anderen Branchen bei gleicher Arbeitszeit und Anforderungen das Gehalt sehr viel weniger beträgt. Die Gesundheits- und Pflegebranche ist nur ein Beispiel für ein ähnliches Problem. Es wird natürlich auch Eltern geben, die es nur peripher interessiert, was die Heranwachwachsenden machen. Wenn sie allerdings auf der Arbeit sind, können sie die Jugendlichen auch nicht rund um die Uhr beaufsichtigen, was generell ich generell auch kontraproduktiv fände.
Dass die Situation für Menschen, wo beide Elternteile im Schichtdienst sind oder auch für Alleinerziehende echt schwierig ist, kann ich mir vorstellen. Doch es kommen auch wieder bessere Zeiten. Daran glaube ich. Veränderungen gehören zum Leben dazu und ich denke für manche Menschen hier in unserer Wohlstandsgesellschaft ist dies jetzt eine heilsame Denkpause. Ich wünsche allen Menschen in den Sicherheits-, Gesundheitsberufen, allen die hier unseren Alltag aufrecht erhalten, dass sie zwischen der Arbeit auch kurze Erholungsphasen haben. Und natürlich ein paar frohe Feiertage. Bleibt gesund. Danke ❤️, dass Ihr für uns da seid, auch wenn es schwer ist.