Gedanken einer Beamtin: Beamte sind keine Leibeigenen
“Beamte wurde nie von der Gesellschaft gemocht. Sie sind unkündbar, haben Lohnfortzahlung im Krankheitsfall, sind privat krankenversichert. Wenn ich es mir recht überlege, sind das in unserer jetzigen Zeit auch die einzigen ‘Vorteile’, die ein Beamter noch hat.
Keiner spricht davon, dass die unteren Gehaltsklassen A5 und A6 im mittleren Dienst weggefallen sind, da sie unter dem Sozialhilfeniveau lagen bzw. das Sozialhilfeniveau hatten. Keiner spricht davon, dass Beamte 41 Stunden in Schleswig-Holstein arbeiten müssen, Angestellte 39. Keiner spricht über die Nullrunden der Beamten, wo Angestellte noch eine Gehaltserhöhung rausgehandelt hatten.
Ich habe eine Diskussion verfolgt, da ging es um die Öffnung der Zulassungsstellen in Schleswig-Holstein und um die Wartezeiten auf einen Termin. Mir stellte sich ernsthaft die Frage, ob der Beamte Leibeigenener der Gesellschaft ist. Es wird über Hygienekonzepte in der Gastronomie, im Fitnessstudio und beim Friseur gesprochen, aber der Beamte, der muss nach Auffassung vieler Bürger zügig für diesen da sein, zur Not auch ohne Schutz.
Der Bürger hat das Recht den Beamten zu beleidigen, zu bespucken, verbal anzugehen oder zur Not seinen Unmut auch per Gewalt auszudrücken. Schließlich wird der Beamte ja von ‘seinen Steuergeldern’ bezahlt. Dass ein Beamter im mittleren Dienst zunächst sich selbst bezahlt, ist dem Bürger nicht klar.
Hat der Beamte nicht auch ein Recht auf Schutz? Kann er den Virus nicht auch in sich tragen und weitergeben? Kann er nicht auch zur Risikogruppe gehören oder Angehörige haben, die besonders geschützt werden müssen? Ist der Beamte nicht einfach MENSCH und Teil dieser Gesellschaft? Hat er nicht gleiche Rechte und Pflichten wie jeder andere Bürger in Deutschland zunächst auch?
Warum werden wir so gehasst? Jeder hat zunächst das Recht, sofern er die Voraussetzungen nach Landesbeamtengesetz erfüllt, Beamter zu werden. Warum der Neid? Warum das Anspruchsdenken, dass der Beamte funktionieren muss und Leibeigenener ist? Warum werden Beamte anders in der Gesellschaft angesehen als der Friseur, die Kassiererin oder der Apotheker?
Respekt ist das Wort. Wir im öffentlichen Dienst treten dem Bürger mit Respekt gegenüber, aber der Beamte darf erwarten, dass er auch respektvoll behandelt wird. Und um gleich jeder Kritik vorzugreifen, auch ein Beamter kann mal unfreundlich sein, denn auch er ist ein MENSCH!
Ich wünsche Euch einen ruhigen Dienst, passt auf Euch auf! Danke, dass Ihr Euren Kopf für unsere Sicherheit hinhaltet.
Liebe Grüße, Karen”
Der Artikel erweckt bei mir den Eindruck, als sei jetzt unsere Gesellschaft, die Gesamtheit fast aller Bürger ein “Haufen von Polizisten- und Beamtenhassern”, der neidisch auf den Berufsstand ist, das “Recht” hat diesen zu beleidigen und zu bespucken, der “Beamte” jetzt völlig entrechtet und dem Arbeitgeber bzw. den Bürgern ausgesetzt ist.
Diese Verallgemeinerungen weisen darauf jedenfalls hin, ich zitiere:”Keiner spricht davon”, Warum werden wir so gehasst?, Der Bürger hat das Recht den Beamten zu beleidigen, zu bespucken, verbal anzugehen oder zur Not seinen Unmut auch per Gewalt auszudrücken”, usw.
Bei allem Respekt, woher bezieht diese Autorin denn dieses “Wissen”?
Zu allererst haben auch andere Bürger unter der Gewalt mancher (nicht aller) krimineller Zeitgenossen zu leiden, die sich das “Recht” herausnehmen,anzugreifen. Diesen Zeitgenossen sollte man rechtlich Einhalt Gebieten. Zum Zweiten sind auch andere Berufsgruppen unterbezahlt, schieben Überstunden und werden Opfer von Gewalttätern.
Zum Dritten werden generell Hygienemaßnahmen, Öffnungszeiten etc diskutiert und können nur allmählich umgesetzt werden, da keiner auf diese jetzige Situation vorbereitet war. Zum Vierten wäre es mir neu, dass jetzt der Bürger das Recht hat, Beamte zu beleidigen, zu bespucken und anzugreifen ohne rechtliche Konsequenzen. Dazu müsste ja das StGB geändert worden sein und entsprechende Paragraphen gestrichen.
Zum Fünften sind mir einige Bürgerinitiativen bekannt, die Einsatz- und Rettungskräften Rückhalt geben, Unterstützung in Krisen bieten und Spenden in Notsituationen für diese Menschen bereitstellen. Sollen die jetzt alle einsortiert werden in die Kategorie Gesellschaft der Polizei- und Beamtenhasser?
Woher nimmt die Verfasserin ihr “Wissen” , aus welcher Quelle bezieht sie auch die Diskussion um Öffnungszeiten in den Zulassungsstellen in Schleswig-Holstein?
Da würden mich wirklich einmal eine Quellenangabe und der originale Wortlaut dieser Diskussionsrunde interessieren.
Hier wird etwas gemacht, was vor nicht langer Zeit bei vielen medialen Berichterstattungen generell hinreichend kritisiert wurde. Diffamierungen und Pauschalisierungen der Berufsgruppe der Polizei, die ich ebenfalls verurteilt habe. Hier wird in diesem Artikel wohl jetzt “der Spieß umgedreht” und allen Bürgern unterstellt, eine Horde von Beamtenhassern und Neidern zu sein. Finden Sie das fair? Ich nicht. Ich glaube, vielen polizeifreundlichen Lesern wird das genauso gehen wie mir, bei Lektüre dieser Gedankengänge, auch wenn ich Ihre Gefühle, liebe Autorin, sicher verstehen kann, die Sie offenbar damit zum Ausdruck bringen wollen. So geht es glaube ich, jedem Menschen mal an manchen Tagen. Das einfach nur “alles Mist” ist. 😉
Ich finde es jetzt allerdings ebenso unfair, wenn ich als Bürgerin, die Beamten wohlwollend gegenüber steht, Einsatzkräften Rückhalt zu geben versucht und auch selbst unter den Angehörigen Beamte in kommunalen Einrichtungen hatte, in die “Kategorie der Beamtenhasser” einsortiert werden soll. Das hoffe ich doch nicht. 🙂
Diese Verallgemeinerungen sind genau die Strategie, die manche, der hier bereits in den letzten Wochen umfassend kritisierten Medienbetreiber offenbar verfolgen, um uns alle hier in der Gesellschaft gegeneinander aufzuwiegeln statt dazu beizutragen, dass friedliche Diskussionen und ein Miteinander wieder möglich werden. Was wir alle gesammelt, glaube ich wieder brauchen, ist Medienkompetenz, kritisches Hinterfragen von Aussagen und Meinungen anderer und ein achtsamerer Umgang mit unseren Worten. Dann hätten wir schon viel gewonnen. Ruth Bebermeyer, eine amerikanische Dichterin hat ein Gedicht verfasst, das lautet
“Worte können Fenster sein oder Mauern.” Das finde ich zum Abschluss hier sehr passend. Es ist im Worlwideweb zu finden.
Ich wünsche allen Beamten jedenfalls einen ruhigen, entspannten Dienst und hoffentlich überwiegend nette Bürger. Und danke❤️, dass Ihr für uns da seid auf den Straßen und in den Ämtern.