Meinungsfreiheit mit Grenzen: Polizisten treten bei Corona-Demo auf – Einer suspendiert, einer keine Führungskraft mehr
Aktuell werden im Netz zwei Vorfälle sehr kontrovers diskutiert, bei denen Polizisten bei Corona-Demos mit Redebeiträgen aufgetreten sind. Manch einer sieht die Meinungsfreiheit in Gefahr und findet die Entscheidungen, die von der jeweiligen Polizeiführung getroffen wurden, als überzogen an. Doch ist das so?
Ein Dienstgruppenleiter einer Polizeidienststelle in Mittelfranken trat bei einer Corona-Demo in Augsburg (Bayern) auf. Seinem Redebeitrag begann er mit den Worten: “Achtung, Achtung. Hier spricht die Polizei”. Dann ruft er die Anwesenden auf, sich dem Protest gegen die Coronamaßnahmen anzuschließen.
“Durch die Verbreitung von Angst und Schrecken durch die Medien und die Politik” hätte man quasi einen “Denunzianten-Staat” entstehen lassen und er wählte hierbei den Begriff “Lückenpresse”. Auch so manche Verschwörungstheorie bemühte der Polizist hierbei.
Dann bezog er sich auf die sogenannte Remonstration, also Bedenken gegen die Rechtmäßigkeit dienstlicher Weisungen zu äußern, in der er kein Recht, sondern eine Pflicht sehe und seine Kollegen aufrief “über ihren Schatten zu springen und aufzustehen. (…) Ihr seid Vertreter von Recht und Gesetz”.
Wie Polizeisprecher Michael Petzold vom Polizeipräsidium Mittelfranken dem BR gegenüber äußerte, sei der Polizist von seiner Führungsaufgabe entbunden worden und habe nun keinen Bürgerkontakt mehr. Es werde die mögliche Verletzung dienstrechtlicher Pflichten geprüft.
In Dortmund (Nordrhein-Westfalen) war ein Kriminalhauptkommissar ebenfalls bei einer Corona-Demo mit einem Redebeitrag aufgetreten. Hierbei verglich der Beamte die Corona-Maßnahmen an das “dunkelste Kapitel der deutschen Geschichte”, die Polizisten “schon einmal bedingungslosem Gehorsam unterworfen” hätten. Er habe Angst, “dass sich gerade etwas in dieselbe Richtung entwickelt”.
Dann verwies er an die Auflösung der Corona-Demo in Berlin vorvergangene Woche, an der er selbst teilgenommen habe. “Ich behaupte, die Auflösung war keine polizeiliche, sondern eine politische Entscheidung”, äußerte der Beamte und zog die offizielle Teilnehmerschätzung der Polizei in Zweifel, die er für viel zu gering hielt.
Die Polizei Dortmund geriet durch diesen Redebeitrag unter Druck und entschied sich dazu, den Kriminalhauptkommissar vom Dienst vorerst zu entbinden. Es werde nun auch hier geprüft, ob gegen beamtentrechtliche Pflichten verstoßen wurde.
Unsere Meinung
Die Meinungsfreiheit ist in einer Demokratie ein sehr hohes Rechtsgut, welches unbedingt verteidigt werden muss. Wir stehen hier auf unserer Seite selbst dafür ein, dass auch Polizisten eine eigene Meinung haben und diese auch öffentlich ausdrücken dürfen müssen. Ein Grundrecht gilt nicht nur deswegen nicht, weil jemand einen bestimmten Beruf ausübt oder eine Uniform trägt.
Doch ist die Meinungsfreiheit dieser beiden Kollegen hier tatsächlich in Gefahr? Für Beamte schlechthin und damit auch für Polizisten gelten beamtenrechtliche Pflichten. Sie stehen in einem speziellen Treue- und Dienstverhältnis ihrem Dienstherrn gegenüber.
Insbesondere die außerdienstliche Wohlverhaltenspflicht und die Mäßigungspflicht sind in diesem Zusammenhang zu beachten. Wenn sich die Kollegen in die Öffentlichkeit stellen, sich als Polizeibeamte zu erkennen geben, dann haben sie sich bei einer Meinungsäußerung an diese Gebote zu halten.
Allein sich zu erkennen zu geben enthält ja schon eine Absicht. Man möchte damit darstellen, dass man in besonderem Maße glaubwürdig sei. Wenn man dann mit Schlagworten wie “Lückenpresse” hantiert, natürlich in Anlehnung an den in rechtspopulistischen Kreisen beliebten Ausspruch “Lügenpresse”, dann ist das mehr als fragwürdig und lässt erhebliche Zweifel an der Fähigkeit zur Neutralität zu.
Man stelle sich vor, dieser Vorgesetzte wäre der eigene und man vertritt eine gegenteilige Meinung. Man könnte sich womöglich nicht mehr sicher sein, dass dieser Vorgesetzte seine politische Meinung nicht über seine dienstliche Pflicht zur Objektivität stellt.
Und wenn in diesem Zusammenhang die eigenen Kollegen angesprochen werden, zu remonstrieren, dann kommt das schon dem Aufruf zu einer Meuterei gleich. Hierbei verkennt der Kollege allerdings, dass die öffentliche Kritik an Entscheidungen seines Dienstherrn keine Remonstration mehr ist, denn hier hat der Vorgesetzte keine Möglichkeit darüber zu entscheiden und seine Entscheidung, falls eine Rechtswidrigkeit offenkundig vorliegt, zu revidieren und den Beamten von der Ausführung zu entbinden.
Meinungsfreiheit? Unbedingt ja, auch für Polizisten! Aber für diese gibt es Grenzen, die es zu beachten gilt. Das lernt jeder Polizist im Dienst- und Beamtenrecht in Aus- und Fortbildung. Wer sie verletzt, muss mit den Konsequenzen leben, denn er weiß um diese.
Ich denke, dass die Auftritte in der Funktion als Polizeibeamte ungeschickt waren. Wären sie privat innerhalb dieser Demo aufgetreten, hätten sich wahrscheinlich
weniger darüber aufgeregt.
Was die Corona Demos insgesamt anbelangt, sind die Politiker selbst Schuld. Von Anfang an gab es Katastrophenmeldungen, aller Arten von Falschmeldungen und eine Führungslosigkeit sondergleichen. Man hätte die Wissenschaftler als zuständige Stelle einrichten sollen, nicht die Politik und Medien stetig Bericht erstatten lassen sollen. Dieses Gebahren ist vergleichbar mit der Kritik der Politiker an Polizeieinsätzen, wenn diese mit der Praxis nicht vertraut sind. Noch heute schaffen sie es nicht, sich zum Wohle der Bürger zu einigen. Das sprachliche Niveau ist sowieso dabei unter dem Nullpunkt, nicht nur in den Medien an sich.
Wenn eine Meinung mit dem allgemeinen höflichen Umgangston vermittelt, logisch nachvollziehbar begründet wird, sollte in einem Rechtsstaat auch konstruktive Kritik möglich sein. Die Herrschaften in der Politik kritisieren doch auch öffentlich die Polizeiarbeit, unabhängig davon, ob sie berechtigt ist oder nicht. Haben die Beamten dann eine Chance ausser Rechtfertigung
beispielsweise? Hat der Arbeitgeber nicht auch eine Fürsorgepflicht gegenüber den Mitarbeitern? Rechte und Pflichten sollten doch für alle gleich sein, oder? Abgesehen davon herrscht in Deutschland eine solche Angst, dass eine gesunde Auseinandersetzung mit differenzierter Meinung nicht möglich ist. Doch gerade durch diesen Umgang wird generell auch dem Extremismus und der Intoleranz Tür und Tor geöffnet. Konstruktive Auseinandersetzung mit den Konfliktthemen wäre eine friedliche, objektive Diskussion gepaart mit Aufklärung und gemeinsamen Lösungen. Kritisches Denken und Dinge in Frage zu stellen sind wichtig, gerade um solche extremistischen Strukturen, was ja in den Demos und Gewaltakten sichtbar wird, zu verhindern.
Das Verhalten der Links- und Rechtsextremisten, die hier mit allgemeiner Erlaubnis oder toleriert durch unsere Straßen ziehen dürfen, dann Gewalt gegen unseren Rechtsstaat verüben, diesen in Frage stellen dürfen, Polizeiarbeit behindern, finde ich wesentlich bedenklicher und kritikwürdiger als das Verhalten der Polizeibeamten in diesem Fall. Die Polizisten haben für mich in punkto Sozialverhalten, Gewaltlosigkeit und gesundem Menschenverstand hier sowieso immer noch wesentlich mehr Vorbildfunktion.
Abgesehen davon, hat ein Polizeibeamter nicht mehr das Recht, seine Meinung zu äußern, Gefühle zu zeigen, Bedenken zu äußern und Kritik zu üben, nur weil das vielleicht unbequem ist, auch wenn das Auftreten der Beamten hier ungeschickt war? Statt Dinge vorschnell abzuwürgen, immer anderen die Schuld zu geben, wäre vielleicht auch einmal eine gesunde Selbstreflexion von Seiten der höheren Stellen notwendig gewesen. Aber auch das erfordert Mut.
Ich habe Respekt vor diesen Beamten, weil sie ihre Befürchtungen, Ängste und Meinungen geäußert haben, obwohl sie mit negativen Folgen rechnen mussten. Was sagte denn der Polizeibeamte in Dortmund unter anderem… “Er habe Angst, dass sich etwas in dieselbe Richtung entwickeln könnte.” Letzten Endes hatte der Beamte mit dem gesamten Auftritt seine Befürchtungen und vielleicht auch Ängste bzgl des Umgangs mit der Pandemie kundgetan. Ich persönlich glaube, damit steht er nicht allein da, sonst würden nicht so viele hier überall demonstrieren. Das machte ihn für mich zumindest menschlich.
Der andere Beamte drückte die Anfangszustände in Presse und Politik aus, wo eine Katastrophenmeldung die andere jagte gepaart mit Fake news und äußerte darüber Kritik. Ich denke, dass diese Beamten noch den Respekt einiger mehr Bürger bekommen haben, weil sie den Mut besaßen, sich als Menschen zu “outen”. Oder sind Gefühle in unserer Gesellschaft nicht mehr erlaubt? Ich glaube, dies ist auch ein Grund für die Verrohung und Zunahme der Gewalt in unserer Gesellschaft. Wenn auf Menschen, deren Gefühle und Bedürfnisse keine Rücksicht mehr genommen wird, diese nicht mehr gehört werden und nur noch zu funktionieren haben, brauchen wir uns über die steigende Gewalt in unserer Gesellschaft auch nicht mehr zu wundern. Dies gebe ich mal bei aller Kritik an den betreffenden Polizeibeamten, ob berechtigt oder nicht, hier zu bedenken.
So ist das!
Wer sich derart in der Öffentlichkeit bewegt und handelt, der schadet nicht nur dem Dienstherrn. Er schadet uns!
Ich glaube, da braucht ein PP gar nicht erst “unter Druck” zu geraten (woher er auch immer kommt), dass ist eindeutiges Fehlverhalten und da hat eine Behörde zu handeln.
Ich brauche solche “Kollegen” nicht.
Euer PolarÜ (Polizist aus rechtsstaatlicher Überzeugung)
Er schadet uns und bekommt Zustimmung dafür. Das braucht wirklich niemand von uns.