Kein rechtsradikaler Chat: Gericht hebt Suspendierung einer Polizistin auf und findet deutliche Worte für den Dienstherrn
Mutmaßlich rechtsradikale Chats von Polizisten haben in den vergangenen Wochen in Nordrhein-Westfalen und Berlin für Aufsehen gesorgt und werden gerne zur Verallgemeinerung missbraucht, dass Polizisten allgemein eher konservativ oder gar rechtsradikal eingestellt seien. Dass es selbst bei den aufgedeckten Fällen nicht unbedingt so sein muss, wie es scheint, zeigt ein aktuelles Gerichtsurteil in Nordrhein-Westfalen.
Dort war eine Polizistin vom Dienst suspendiert worden, weil sie Mitglied einer Chatgruppe war, in der ein angeblich rechtsradikales Bild verschickt worden sein soll. Das zuständige Landesamt sprach daraufhin die sofortige Suspendierung aus, weil die Polizistin “zumindest ein Bild mit rechtsradikalem Gedankengut von strafrechtlicher Relevanz erhalten” haben soll und damit “den Boden der freiheitlich-demokratischen Grundordnung verlassen” habe.
Die Polizistin klagte gegen diese Entscheidung und bekam nun vom Verwaltungsgericht Düsseldorf Recht. In der Begründung heißt es, dass das Bild vor im Oktober 2013, also vor über sechs Jahren, in die Gruppe verschickt worden sein soll – und zwar nicht von der suspendierten Polizisten, die diese Bilddatei lediglich empfangen haben soll. Ob sie diese Bilddatei auch selbst gesehen und wahrgenommen, oder kommentiert hat, konnte man ihr nicht nachweisen.
Zudem stellte das Gericht fest, dass es sich bei der beanstandeten Bilddatei nicht um ein strafrechtlich relevantes Bild handelte, sondern um eine Parodie Hitlers. Dies sei vom Landesamt ganz offensichtlich nicht geprüft worden und dem Gericht sei es nach kurzer Internetrecherche gelungen, das entsprechende Video auf Youtube mit dem Titel Weihnachten mit Hitler zu finden.
Das Video könne man zwar als geschmacklos ansehen und ganz offensichtlich handele es sich bei der abgebildete Person nicht um Adolf Hitler, sondern jemanden, der diesen “verspotte, überzeichne und der Lächerlichkeit preisgebe”. Ein “schwerwiegendes Dienstvergehen” und ein “Verstoß gegen die politische Treuepflicht” konnte das Gericht nicht feststellen.
Das Verwaltungsgericht beanstandete zudem, dass das Landesamt weder den konkreten Chatverlauf geprüft habe, “noch die Häufigkeit und die Frequenz des Nachrichtenaustauschs, geschweige denn etwaige Reaktionen der Antragstellerin hierauf offengelegt” habe. Aus der bloßen Mitgliedschaft in einer solchen Gruppe könne “nicht ohne Weiteres auf die Kenntnisnahme des Bildes geschlossen werden”.
Zudem wunderte sich das Gericht darüber, dass das Landesamt bei ihrer Entscheidung nicht in der Lage war, das beanstandete Bild als Parodie zu erkennen. Der Vorwurf, die Polizisten “habe den Boden der freiheitlich-demokratischen Grundordnung verlassen” sei absolut “fernliegend”. Auch hätte der Kontext beachtet werden müssen.
Die Suspendierung wurde daher aufgehoben und sei nicht nur inhaltlich, sondern auch formal mangelhaft gewesen. Das Land Nordrhein-Westfalen kann gegen die Entscheidung noch Beschwerde beim Oberverwaltungsgericht einlegen.
Beschluss vom 22.10.2020, Az. 2 L 1910/20
Innenminister Herbert Reul kommentierte das Urteil wie folgt:
“Die Entscheidung des Gerichts ist natürlich zu respektieren. In allen Verfahren gilt die Unschuldsvermutung. Trotzdem sollte niemand Zweifel an meiner grundsätzlichen Entschlossenheit haben: Ich werde meine Null-Toleranz-Linie im Kampf gegen Rechtsextremismus in den eigenen Reihen weiter konsequent fortsetzen.”