An all die Vergessenen: Wir sind für euch da!
Wer sich bei dieser Überschrift an das Lied der Gruppe PUR Lied für all die Vergessenen erinnert fühlt, der liegt nicht ganz falsch. Denn wir möchten mit diesem Beitrag an all die erinnern und ihnen Mut zusprechen, an die oft keiner mehr oder nur noch selten jemand denkt – gerade jetzt zur Pandemiezeit.
So wie vor einiger Zeit, als wir von einem älteren Ehepaar gerufen wurden, weil sie sich von einem psychisch kranken Nachbarn belästigt fühlten und mit der Situation völlig überfordert schienen.
Nachdem wir uns das Problem angehört und ihnen Tipps gegeben hatten, fühlten sich die beiden so erleichtert und ernst genommen, dass sie uns im Vertrauen ihre halbe Lebensgeschichte erzählten.
Das Paar war schon seit vielen Jahren verheiratet, wobei es für ihn die zweite Ehe war. Seine erste Frau hatte er an den Krebs verloren. Als er uns davon erzählte stockte seine Stimme. Auch nach Jahren schien ihm dieser Verlust weh zu tun. Aber man merkte eindeutig, dass er auch seine jetzige Frau liebt.
Da der Sohn seine eigenen Probleme hatte und zudem gesundheitlich angeknackst war, konnte er sich nicht so um seine Eltern kümmern, wie sie es sich gewünscht hätten. Und so hörten wir weiter ihrer Lebensgeschichte zu, die aus vielen Höhen und ebenso vielen Tiefen bestand. Wir hatten gerade eine ruhige Auftragslage und so konnten wir uns die Zeit nehmen. Und wir nahmen uns gerne diesen Moment.
Als wir uns dann doch verabschieden mussten, hatten wir alle Tränen in den Augen, so herzlich war das Gespräch. Wir verabschiedeten uns mit einer Umarmung (dieser Einsatz fand vor Corona statt) und wünschten ihnen viel Glück beim weiteren Lebensweg. Danach hieß es erst einmal tief durchatmen, bevor es an den nächsten Einsatz ging.
Oder dieser nächtliche Anruf eines Zeitungszustellers. Ein Mann hatte sich aus seinem eigenen Haus ausgeschlossen und stand nun völlig ratlos vor der Tür. Wie sich herausstellte, war der alte Herr dement und wegen seiner Schlafprobleme war er umher gewandert, auch vor die Haustür, bis ein Windstoß sie zuschlug.
Über eine offene Terrassentür konnten wir einsteigen, die Haustür von innen öffnen und die Angehörigen verständigen.
Diesen gaben wir noch Tipps, wie sie mit dieser ganz offensichtlich schwierigen Situation umgehen und an wen sie sich wenden können. Sie hatten verständlicher Weise Probleme damit, dass dies zwar der Vater war, von dem aber größtenteils nur noch eine sichtbare Hülle blieb und sein geliebtes Wesen langsam ins Nichts verschwand.
Aber nicht nur die alten Mitmenschen werden oft vergessen, auch die Kranken und Hilflosen, die Obdachlosen, die nicht bewusst (ja, das gibt es auch), sondern unverschuldet in diese Situation geraten waren und froh sind, wenn sie nicht nur schräg angeschaut und wie ein Aussätziger, sondern auch mal mit Respekt behandelt werden.
Oder die vielen Kinder, deren Eltern mit der Erziehung überfordert sind oder Sucht- oder Gesundheitsprobleme haben; Kinder, die vernachlässigt oder misshandelt werden und deren Leid oder Vernachlässigung auch uns Polizisten zu Herzen geht.
An all diese Mitmenschen möchten wir sagen: Die Polizei ist immer für Euch da!
Auch wenn Euer “Fall” eigentlich nichts für die Polizei ist, was ihr in Eurer Hilflosigkeit vielleicht gar nicht erahnen könnt und auch nicht müsst, so dürft Ihr uns rund um die Uhr anrufen. Wenn es die Einsatzlage zulässt (was wegen knapper Personaldecke leider nicht immer der Fall ist), hören wir Euch gerne zu und helfen Euch so gut es geht.
Auch wenn Eure Angehörigen oder Nachbarn Euch vergessen haben mögen oder Ihr in der jeweiligen Situation einen kompetenten Ratgeber braucht, sind wir für Euch da.
Denn eines seid Ihr für uns nicht: Ihr seid NICHT vergessen!
Und all die Angehörigen und Nachbarn da draußen, die vielleicht eine solche Person kennen: denkt öfter an Eure Angehörigen oder Nachbarn. Es kostet nicht viel Zeit und Aufwand, es braucht nur regelmäßig ein paar Minuten, an denen Ihr Euch um diese Menschen kümmert. Das geht auch unter Einhaltung der Hygienevorschriften in der aktuellen Situation, oft reicht es einfach nur mal zuzuhören.
Ihre Dankbarkeit wird Euch den Tag versüßen!
Manchmal,und wenn man von Natur aus vielschichtig nachdenkt, kann man nachvollziehen, warum Menschen einen vergessen. Ihnen sind jetzt, da Corona doch Höheres abverlangt,die Menschen ihres Kernumkreises wichtig, wie Verwandte und engere Freunde neben der Familie.
Vielleicht waren sie sozial immer höher begabt und kompetent, sodass ihr Kontaktnetz stabil und weitum tiefreichend verflochten ist, und man selbst hatte da nie so das Geschick. An einem Punkt müssen alle entscheiden, zu wem sie Kontakt brauchen, möchten, oder eher nicht. Die Anforderungen, die eine Pandemielage stellt, lassen da aussieben.
Dann fällt man halt durch die Netzmaschen.
Das Leben ging vielleicht nicht so nach Plan, und dieses soziale Kontaktgeflecht ist weggebrochen. Kontakte verstarben, können weg gezogen sein, eigene Familien gegründet haben.
Man ist dann einfach raus, und neue Versuche.Anschluss zu finden, vielleicht schaffte man das nicht.
Wohnung verloren,irgendwann zum Kämpfen zu krank, zu kaputt.
Zu viele Minuspunkte gesammelt, man kann sich nicht angemessen revanchieren oder bietet keine Reziprokation. Warum sollte man noch in den Gedanken anderer vorkommen?
Vielleicht hat man Fehler begangen, dies zu spät bemerkt. Zu viel Mist verbrochen oder die Freunde vergrämt.
Vielleicht hat man lediglich eine unangenehme Krankheit bekommen.
Manchmal reicht alle Dankbarkeit, die man aufbringen kann, nirgends hin, um die Schuld zu begleichen, in welcher man steht.
Manchmal ist man so erfüllt von Scham. Zu wenig an andere gedacht! Man fragt sich, ist man es wert, dass sich andere an einen erinnern? Wenn die Gedanken lange schon einsam ihre Runden ziehen, oder wenn das erblich bedingt so immer schon war.
Man will in niemands Weg stehen.
Wer denkt denn an all die professionellen Helfer?
Dann ist es, so wollte es den Anschein haben, viel einfacher, vergessen zu sein.