Grundsatzurteil: Bundesverwaltungsgericht definiert Bereitschafts- und Ruhezeiten und beschert Bundespolizisten Ausgleichszahlung
Bei Polizisten gibt es grundsätzlich Einsatz-, Bereitschafts- und Ruhezeiten und manchmal ist das ein Zankapfel, hat der Dienstherr bei Bereitschaftszeiten eine Ausgleichszahlung oder Freizeit als Ausgleich zu gewähren. Im folgenden Fall kann man konstatieren, die juristischen Mühlen malen langsam, aber sie mahlen.
Denn es geht bei dem vorliegenden Gerichtsverfahren durch sämtliche Instanzen hindurch um ein Einsatzgeschehen aus 2015. Damals waren unter anderem Beamte der Bundespolizei beim G7-Gipfel in Elmau und direkt danach bei der Bilderberg-Konferenz eingesetzt.
Mehrere Beamte hatten gegen die Regelung des Dienstherrn geklagt, da sie für ihre Bereitschaftszeiten bis heute keinen Ausgleich erhalten haben. Die Polizisten sahen gewissen Zeiten als Bereitschaftszeit an, der Dienstherr hingegen als Ruhezeit.
Die ersten Instanzen (Verwaltungsgerichte) hatten jeweils dem Dienstherrn Recht gegeben. Erst das Oberverwaltungsgericht (OVG) Nordrhein-Westfalen entschied erstmals zugunsten der Bundespolizisten und hob im Februar 2020 das Urteil des VG Köln auf.
Insgesamt 8 Bundespolizisten gingen gegen anders lautende Entscheidungen in Revision, 6 von ihnen waren nicht nur in Elmau, sondern ebenso bei der Bilderberg-Konferenz eingesetzt. Das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) nahm die Revisionen ausdrücklich an, um die Voraussetzungen für einen Ausgleich grundsätzlich zu klären.
Kurz zusammen gefasst:
Das BVerwG gab den Klägern Recht und sie erhalten nun Ausgleichszahlungen für Bereitschaftszeiten, die keine Ruhezeiten waren.
Hier die Begründung des Gerichts, welches ein Grundsatzurteil fällte und bei Vorliegen derselben rechtlichen Voraussetzungen für alle Polizisten gilt:
“Mit dem Einsatzbefehl zum G7-Gipfel in Elmau hat der Dienstherr Mehrarbeit im Sinne von § 88 Satz 2 BBG angeordnet. Der Anspruch der Kläger auf weiteren Freizeitausgleich nach dieser Vorschrift schließt auch die in den Dienstplänen vorgesehenen Ruhezeiten mit ein. Bei diesen Zeiten handelt es sich im Sinne der übereinstimmenden Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs und des Bundesverwaltungsgerichts bei zutreffender rechtlicher Einordnung um Bereitschaftsdienst und damit um Arbeitszeit, weil der Dienstherr das Bestimmungsrecht der Beamten, wo und wie sie diese Zeit verbrachten, durch verschiedene Vorgaben in erheblicher Weise eingeschränkt hatte.
Die Beamten mussten ihre persönliche Ausrüstung einschließlich der Waffen ständig bei sich führen, sie mussten jederzeit erreichbar sein und durften ihre Unterkunft allenfalls zu bestimmten Anlässen und nur nach vorheriger Genehmigung, nicht jedoch nach eigenem Belieben verlassen. Diese Zeiten hatten daher das Gepräge eines Sich-Bereithaltens. Sie sind im Rahmen von § 88 Satz 2 BBG wie Volldienst im Umfang 1 : 1 auszugleichen.
Für den unter denselben Bedingungen absolvierten Einsatz bei der Bilderberg-Konferenz, für den der Dienstherr – anstelle von § 88 BBG – eine pauschalierende Abrechnung gemäß § 11 BPolBG gewählt hatte, gilt: Diese Pauschalierungsbefugnis setzt nach ihrem Sinn und Zweck voraus, dass es in dem Einsatzzeitraum auch Stunden gibt, die tatsächlich Ruhezeit, d.h. keine Arbeitszeit, sind. Hieran fehlte es vorliegend. Der deshalb ebenfalls nach § 88 Satz 2 BBG zu gewährende Freizeitausgleich führt auch hier dazu, dass die so bezeichneten Ruhezeiten als Zeiten des Bereitschaftsdienstes und deshalb im Verhältnis 1 : 1 auszugleichen sind.”
BVerwG, Az. 2 C 18.20 – Urteil vom 29. April 2021