Gedanken eines Polizisten: “Wording” – oder: Die Vermeidung von Wahrheiten
Es ist kein neues Phänomen mehr. Schon seit langer Zeit gibt es in dieser „neuen“ Welt, in der Minderheiten mit ihren Befindlichkeiten gefühlt den Rest der Welt dominieren, Dinge, die nicht mehr gesagt oder geschrieben werden dürfen. Und da rede ich nicht von „Schwarzfahrern“ und möglicher Diskriminierung.
Ich denke, das ist die richtige Stelle vorab klarzustellen, dass ich – natürlich – niemanden diskriminieren möchte! Weder eine Minderheit (was ich wertfrei meine), noch sonst irgendjemanden.
Angefangen hat das Ganze gefühlt schon vor einigen Jahren, seit in der einen oder anderen Talkshow im Untertitel der/die Arbeitslose grundsätzlich nur noch als „arbeitssuchend“ bezeichnet wurde. Und ich bin sicher, dass einige dieser Personen eben NICHT nach Arbeit suchten. Aber selbst wenn: Arbeitslos sind sie dann trotzdem, ob sie suchen oder nicht.
Um aber langsam zum polizeilichen Bezug zu kommen:
Dieses „positiv reden“ und polizeilich vor allem „verharmlosen“ hat sich über die Jahre hinweg weiter entwickelt, sodass mittlerweile leider auch die Polizei sich an „Wording“ Vorgaben hält/halten muss.
Die hierbei verwendeten Ausdrücke entbehren oft jeglicher Realität und sind schlicht und einfach ein Schlag ins Gesicht all derjenigen, die, teilweise seit vielen Jahren, ihren Körper, ihre Gesundheit und vor allem auch ihre Seele für den Dienstherrn/das Land/diese Gesellschaft hinhalten!
Erinnern wir uns kurz an letztes Jahr, die „Demonstrationen“ für den Dannenröder Forst:
Hier seilten sich manche Individuen von Brücken über Autobahnen ab. Unter Inkaufnahme der Gefährdung von Menschenleben oder zumindest auch erheblichen Sachwerten. (Ein in der Folge entstandener Unfall wurde medial bekannt.)
Es wird/wurde vielfach durch diese „Demonstranten“ versucht, eigene Ziele gegen jeden Widerstand (auch mit Gewalt) durchzusetzen. Über die unzähligen unmittelbaren Angriffe gegen Polizeibeamte und Institutionen, unter gleichen Voraussetzungen, will ich gar nicht erst reden.
Hierbei wurden teilweise Straftaten gegen die körperliche Unversehrtheit begangen, die rechtlich bis zu versuchtem Totschlag eingestuft wurden! Nun ja. In den Medien und auch polizeilich wurden diese – einigen wir uns hier auf die Bezeichnung „Straftäter“? – lediglich als „Aktivisten“ oder „Umweltaktivisten“ bezeichnet.
Danke für diese absolut lächerliche Verharmlosung, die den reellen Taten nicht annähernd gerecht wird!
Mein persönliches aktuelles Highlight – und der Grund dieser Zeilen – ist aber ein Artikel der „Polizei Frankfurt am Main“:
Diese berichtete vor wenigen Tagen medienwirksam formuliert in den sozialen Medien von „150 Menschen“, bei denen „als die Beamten dort vorbeifuhren“ „die Stimmung aufgeheizt schien“. Kurz später „… flogen Flaschen auf das Einsatzfahrzeug.“
Danach steht geschrieben: „Verletzt wurde glücklicherweise niemand.“
Wie benennt man heute aber solche Personen angemessen?
Ich hätte diverse persönliche Ideen, die aber nicht hierher gehören.
Also versuche ich es mit angemessenen Bezeichnungen:
„Randalierer“?
„Chaoten“?
„Straftäter“?
Ich fände in Gänze so etwas wie „Respektlose, gesellschaftsverachtende jugendliche Straftäter“ halbwegs brauchbar. Aber Nein. Mitnichten!
Heutzutage werden diese Personen wie folgt VON DER POLIZEI bezeichnet:
Wenn das die Interessengemeinschaft für jugendliche Randalierer so formuliert hätte, okay. Wenn der Anwalt einer dieser Idioten das so formuliert hätte, okay. Aber die Polizei??
Kurz später sucht eben diese Polizei Zeugen wegen „Landfriedensbruchs und der Sachbeschädigung bzw. der Zerstörung wichtiger Arbeitsmittel“.
Da frage ich mich, warum sich Zeugen für eine „jugendliche Dummheit“/einen „kleinen Streich“ melden sollten. Nur weil jemand einen Klingelstreich spielt, werden ja auch keine Zeugen gesucht, oder? Aber gefühlt bewegen sich diese Taten verbal ungefähr auf diesem Niveau.
Und die Erfahrungen der vergangenen Zeit zeigt, dass solche Individuen die Flaschen auch auf Polizeibeamte in persona (ohne schützenden Streifenwagen drum herum) werfen!
Warum schreibe ich diesen langen Text?
Ich möchte – INSBESONDERE AN DIE POLIZEI – einfach nur mal appellieren, dass man Probleme und problematische Personen – und ja: Bei Bedarf auch Personengruppen! beim Namen nennen darf UND SOLLTE!
Diese Bagatellisierung von Straftätern ist eine absolute Lächerlichkeit und Frechheit gegenüber allen Kollegen, die „draußen“ ihren Dienst tun!
Und das tun viele gegen alle Widerstände und Unwägbarkeiten und immer mit dem Gefühl, dass man beim kleinsten Fehler keinerlei Rückhalt durch den eigenen Dienstherrn erhält und stattdessen lieber jedem Bürger und allem Medien „zum Fraß vorgeworfen“ wird!
Quasi in einem Satz für die gleichen Individuen die Bezeichnung „Straftäter“ und „erlebnisorientierte Jugendliche“, abhängig von der Zielgruppe in den Medien, zu verwenden zeugt von desaströser Unehrlichkeit und genau dieser Hinterhältigkeit der Polizei gegenüber den Kollegen. Ein Vertrauensverhältnis kann auf einer solchen Basis nicht existieren.
Für mich persönlich das Unwort, bzw. die „Unbezeichnung“ des Jahres 2021!
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Der Kollege ist uns persönlich bekannt, möchte jedoch anonym bleiben. Diese Zeilen geben die Meinung des Autors wieder, die wir uns durch die Veröffentlichung nicht zwangsläufig zu eigen machen.
Die Verlinkungen im Text wurden von uns zur Bereitstellung weiterführender Informationen vorgenommen.
Es mag ein komischer Zufall sein, oder es war schon wieder eine andere, so ähnliche Meldung, bei der vom Glas der geworfenen Flaschen wohl Passanten was ab bekamen.
Ist das mit der verharmlosenden Begriffsfindung die Antwort auf Sprechverbote?’
‘Aus demselben Pool zeitgenössischer Anschein-‘Geusenworte’, Sowas Ähnliches soll das wohl werden, anstatt positiver Konnotation eine Verharmlosende – stammt wohl die genannte Bezeichnung von Umweltaktivisten anstatt von Linksradikalen.
Warum bestimmt das im Deutschen die politische Haltung, fragt sich das Ich.
Die Entwicklung von Sprache, oder von offiziell erlaubter Ausdrucksweise wird sich wohl daran divergieren, wo Abgrenzungen politischer Haltungen verlaufen.
Wenn strafbares Verhalten nun bald als Erlebnis orientierte Sozialisierung bekant wird, kann man Personenkontrollen auch als sozial-therapeutische Intervention betrachten.
Erlebnis orientiert am Rad drehen – ein Kompromiss von Begriff?
Wer keine Position einnimmt, darf sich nicht wundern, dass er bald auch keine mehr hat.
Wenn wir als Polizei unsere ureigensten Themen derart bis zur Unkenntlichkeit verklausulieren und aus meiner Sicht sachlich unangebracht und im Grunde freiwillig mit linksaußen erzwungenem “Neu-Sprech” (Aldous Huxleys 1984 lässt grüßen *) zu einem inhaltslosen Brei werden lassen, dann helfen wir selbst dabei mit, dass es zukünftig keine handhabbare Unterscheidung zwischen strafbarem Verhalten und tolerierbarem “ausgelassensein” mehr gibt.
Dann wird alles richtig werden – und die Polizei dumm da stehen. Denn was sollte man auf einem Untergrund aus Brei als Maßnahmen fußen lassen?
Wir machen als Organisation munter mit. M. E. sehr oft und immer häufiger extrem unkritisch. In eine Richtung mitmachen wollen oder “in” bzw. “irgendwie doch sympathisch” wirken wollen, sind nicht aufgabe der rechtsstaatlichen Polizei.
Das vergessen viel zu viele – allen voran auch viele höhere Vorgesetzte.
(* zur Erläuterung aus Wikipedia:
Neusprech (englisch Newspeak) heißt die sprachpolitisch umgestaltete Sprache in George Orwells dystopischem Roman 1984. Durch Sprachplanung sollen sprachliche Ausdrucksmöglichkeiten beschränkt und damit die Freiheit des Denkens aufgehoben werden. Der fiktive totalitäre Staat Ozeanien entwickelt diese Sprachform, um die Ideologie von „Ingsoc“ (English Socialism) im Unterbewusstsein der Menschen zu verankern.
Neusprech wird im übertragenen Sinne als Bezeichnung für Sprachformen oder sprachliche Mittel gebraucht, die durch Sprachmanipulation bewusst verändert werden, um Tatsachen zu verbergen und die Ziele oder Ideologien der Anwender zu verschleiern.
In der Kognitionswissenschaft wird experimentell erforscht, wie tief verwurzelte sprachlich-metaphorische Frames weitgehend unbewusst die politische Wahrnehmung, die semantische Einordnung und, davon abhängig, das politische Handeln bestimmen.)
Euer PolarÜ (Polizist aus rechtsstaatlicher Überzeugung)
Ich würde einige Straftäter gerne anders betiteln als mit obigen Begriffen sowieso. Dies würde allerdings dann hier den Rahmen der Netiquette sprengen. Daher verzichte ich darauf. Für mich sind auch nicht alle Gewalttäter krank, haben eine schlechte Kindheit oder ein ungünstiges soziales Umfeld gehabt. Auch nicht sind die Drogen, der Alkohol etc. immer Schuld.
Die Psychologie lehrt, dass jeder Mensch ein vernunftbegabtes Wesen ist, das eigene Entscheidungen treffen und für sein Verhalten auch Verantwortung übernehmen kann. Unabhängig davon, dass ich mittlerweile manchmal den Eindruck gewinne, dass manche Tiere mehr Verstand und Einsicht haben als im Artikel beschriebene Zweibeiner (Erlebnis orientierte Jugendliche) ;-), fördern wir mit dieser (Sprach-)kultur noch diese Mentalität, jedes Verhalten zu entschuldigen. Ausserdem kann es nicht sein, dass die überwiegende Mehrheit aller hier lebenden Bewohner unzurechnungsfähig ist und keine Einsicht mehr in ihr Handeln hat. Dann können wir Deutschland auch gleich überdachen und der Bau von Kliniken und Gefängnissen würde sich erübrigen. Das ganze nennen wir dann Event Industrie. 🙂
Wie wäre es denn, wenn wir schon einmal beginnen, auch die Polizei kundenfreundlicher zu gestalten?
Das Wort Polizei klingt sowieso viel zu wenig nett für den deutschen Durchschnittsbürger. Finden Sie nicht?
Wie wäre es mit Mobile Customer Service?
Den Notruf könnten wir dann in Customer Emergency Hotline umtaufen. 24h available.
Die neue Berufsbezeichnung für Polizeibeamter hieße dann natürlich entsprechend Event Manager. Womit wir das Personalproblem bei der Polizei bestimmt als erledigt betrachten dürften. Dieser Beruf wird sich bestimmt höchster Beliebtheit erfreuen, wird von der Mehrheit anerkannt und entsprechend honoriert. 🙂 Das ganze ließe sich dann natürlich immer noch auf die Spitze treiben. Welcome in newspeak Germany.
Und bitte nehmen Sie nicht alles zu ernst. Humor ist,wenn man trotzdem lacht. Ganz ehrlich! Der Trend hier ist einfach nur noch lächerlich.
Daher mit sarkastischen Grüßen als Antwort auf den neuen Mainstream.