Mit den Kollegen auf Streife: Der Vogel-Mann (von Christiane)
Jahrelang bin ich in einer der weniger schönen Ecken unserer Stadt Funkwagen gefahren. Ich habe unzählige traurige, erschreckende und absonderliche Dinge gesehen.
Zu den wunderlichen Dingen gehört der Vogel-Mann. Morgens um halb fünf werden wir in die A-Straße geschickt, weil sich Mieter durch einen Mann auf der Straße gestört fühlen. Als wir ankommen sehen wir einen etwa 50-jährigen dünnen Mann mit Halbglatze auf dem Bürgersteig.
Wir steigen aus und fragen ihn ob er angerufen hat. Daraufhin pfeift er fröhlich ein Lied. Während er pfeift meine ich den Refrain von ‚I will follow him‘ zu erkennen. Ich hab schon neun Stunden Dienst hinter mir, um sechs ist Feierabend.
Während mein Kollege und ich noch dumm rum stehen fängt er an mit den Armen zu flattern als wären es Flügel. Gleichzeitig öffnet sich ein Fenster und ein Bürger dieser Stadt teilt uns mit, dass wir den mitnehmen sollen, er könne nicht schlafen. Schönen Dank auch, ist immer hilfreich wenn uns jemand sagt wie wir unsere Arbeit machen sollen…
Ich frag den pfeifenden Mann also ob er hier wohnt. Er pfeift ‚Pretty Woman‘, wackelt dazu nicht nur mit den Armen sondern auch mit den Augenbrauen und irgendwie fühle ich mich geschmeichelt. Aber das hilft uns nicht weiter.
Mein Kollege fängt also an den fröhlich pfeifenden Typ nach einem Ausweis zu durchsuchen. Fehlanzeige. Nix hat er dabei. Auf sämtliche Kommunikationsversuche antwortet er mit Pfeifen. Irgendwie niedlich, aber nicht normal.
Also beschließen wir ihn zur P3 zu bringen, der Psych-Station im Krankenhaus. Das bedeutet Überstunden für uns. Mit gutem Zureden und geöffneten Fenstern können wir den flatternden Mann auf die Rückbank bugsieren. Er sieht dann recht fröhlich aus und flötet eine eigenwillige Interpretation von ‚Im Wagen vor mir‘ und flattert dazu weiter mit den dünnen Armen…
Ich will über Funk bescheid geben, dass wir mit ihm zum Krankenhaus fahren, aber nach den ersten Worten unterbricht mich der Sprecher und fragt ob wir einen Vogel im Auto haben, er versteht mich kaum…
Im Krankenhaus angekommen erkennen die Schwestern den Mann sofort. Er war schon öfter hier. Sie nehmen ihn in ihre Obhut. Als sie ihn weg führen trällert er ‚My Way‘ und ich könnte schwören, dass er mir zugeblinzelt hat…